Der tägliche Lebensmittelwahnsinn

Diskutiere Der tägliche Lebensmittelwahnsinn im Was ich unbedingt noch sagen wollte... Forum im Bereich Kaffeeklatsch; [ ... ]Eben: Weil die Konzerne trotz all ihrer Marktmacht niemanden zwingen können, ihren Kram zu kaufen - und niemanden daran hindern,...

  1. hawi

    hawi Gast

    Das stimmt leider nicht mehr - siehe die Zulassung von Saatgut. Hier haben es die üblichen Verdächtigen durch fantastische Lobbyarbeit geschafft, das Zulassungsverfahren so teuer und langwierig zu machen, dass kleine Anbieter a priorio schon mal schlechte Karten haben. Dann kommen noch Anforderungen dazu, die man mit nicht-manipuliertem Saatgut praktisch nicht erfüllen kann (z.B. völlig regelmäßige Formen und gleichmäßige Größe der Erzeugnisse), und schon sind die kleinen Anbieter raus. Wenn der Bauer was verkaufen will, kann er nur noch Saatgut von einem der großen Anbieter kaufen. Und schwupps, kannst auch Du kein Gemüse oder Obst deiner Wahl mehr kaufen. Auf den entsprechenden Fernsehbeitrag, in dem dieses perfide System und die Folgen, die das für uns alle haben kann, beschrieben wird, hatte ich vor langer Zeit schon mal weiter oben hingewiesen. Irgendwie hat das damals nicht so gezündet... o_O Unter "Folgen" ist übrigens nicht nur ernährungsphysiologisch und geschmacklich minderwertiges Gemüse zu verstehen, sondern auch solche unbedeutenden Petitessen wie Hungersnöte, wenn der gentechnisch einmontierte Schädlingsschutz versagt oder sich die Schädlinge an die genmanipulierten Pflanzen angepasst haben. Dann gibt es nämlich keine Rückfallpositionen mehr. In dem Fernsehbeitrag sind völlig verzeifelte amerikanische Farmer zu sehen, bei denen genau das passiert ist. Dort wuchert ein Unkraut, dem sie nicht mehr Herr werden können, weil es schädlingsbekämpfungsmittelresistent ist. Dumm gelaufen. Wird aber wieder passieren, solange das System so weiterläuft wie bisher.
     
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  2. Tara

    Tara Mitglied

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    hm, also ich mag eigentlich nur einigermassen vertretbar schnell Lebensmittel kaufen können;
    eine brauchbare Kennzeichnung in verständlichen Worten und größerer Schrift würde mir schon reichen um eigenverantwortliche Entscheidungen treffen zu können. Ein paar Schlagworte die auch halten was sie versprechen/suggerieren auch. Da brauch ich weder Kant noch Hegel noch weitere Aufklärer.
    Ich finds nur affig, wenn Kartoffeln selber ausbuddeln schneller und effektiver geht, als zum Laden fahren und die Kennzeichnungen zu durchforsten, bevor ich sie kaufe. Wenn ich mit dem Bulldog hier auf s Feld fahr dürft ich fast genauso schnell sein...
     
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  3. #343 Sebastiano, 28.08.2014
    Zuletzt bearbeitet: 31.08.2014
    Sebastiano

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    Genau diese Entscheidung für ein standardisiertes Fertigprodukt ist oftmals eben genau nicht diejenige, die auf einer ‘eigenverantwortlichen Entscheidung’ basiert. Sie ist nicht selten das Ergebnis einer mannigfaltigen Manipulation des bequemen, uninformierten Konsumenten, der zwar glaubt, frei zu entscheiden, dies aber in Wirklichkeit gar nicht tut, sondern nur fremdgesteuerten Impulsen seines Unterbewußtseins folgt. Mitunter weiß er zwar sogar, dass er da eventuell Abfall ist, tut es aber durch innere Verdrängung dieser unbequemen Wahrheit trotzdem. Er lebt in seinem ‘Reality Distortion Field’ und erneut erinnere ich an die berühmte ‘Truman-Show’.

    Nun gibt es ja nicht nur eine einzige Tiefkühl-Lasagne. Jedoch ist es wohl so, dass ein nicht geringer Teil dieser Produkte zu nicht nachvollziehbaren Tiefpreisen angeboten wird. Im Falle er ein solches Produkt wählt, so frage ich ihn, ob er gern Abfall ist - und ob er gerne für Abfallprodukte wie Separatorenfleisch, sieben mal um die Welt befördertes, altes Pferdefleisch, das als Rindfleisch deklariert wird einem Großunternehmen, das ihn in voller Absicht belügt sein mühsam verdientes Geld schenken möchte.

    Und dann erkläre ich ihm, wie im Fotostudio eine wunderhübsche Lasagne fotografiert wird, und das Photo hernach mit Photoshop noch ein wenig ‘verbessert’ wird und wie so ein Produkt in eine garantiert bisphenolfreie Verpackung eingeschweißt wird und völlig klimaneutral eingefroren, tiefgekühlt transportiert, natürlich unter strikter Einhaltung der Kühlkette dann energiesparend im Supermarkt auf ihn, den glücklichen Abfallgenießer wartet. Ach ja, haben Sie eine payback-Karte, dann gibt es ja noch Rabatt von 0,8% oder so, im Gegenzug für seine persönliche Daten…

    Und dann frage ich ihn noch, wie er seinem Kind erklärt, wie ein Nudelteig gemacht wird, oder wie er seinem Kind erklärt, dass die meisten konventionellen Milchkühe komischer Weise keine Hörner haben und das es sogar Kühe gibt, die Schwarz-bunt und nicht Lila sind.

    Oder so ähnlich…

    Mit einem freundlichen Lächeln
    Sebastiano
     
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  4. #344 Bonsai-Brummi, 28.08.2014
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    Das Thema hatten wir doch schon mal ausführlich in Arbeit - und nein, so schlechte Karten haben weder kleine Anbieter noch "alte Sorten":

    http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11327_de.htm


    Der Handel, speziell die großen Ketten, wird sich hüten, auf solchen Anforderungen zu beharren, wenn genügend Kunden anderes nachfragen - wetten?
     
  5. #345 Kaspar Hauser, 28.08.2014
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    Genieß' die Lasagne, aber schieb' es nicht auf die gemeine Lebensmittelindustrie,
    daß du davon Fett oder sonstwie ungesund wirst, wenn deine Ernährung ansonsten auch nicht viel ander aussieht.
     
  6. #346 Bonsai-Brummi, 28.08.2014
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    Na, immerhin haste jetzt schön ausführlich raushängen lassen, wie grenzenlos überlegen Du dich fühlst, so im direkten Vergleich zu uns mannigfaltig manipulierten, uninformierten und fremdgesteuerten Konsumenten und glücklichen Abfallgenießern :D

    Ums mal mit Babba Hesselbach zu sagen: Mehr wollte mer ja gar net wisse; vielen Dank für deine Offenheit :)
     
  7. #347 Sebastiano, 28.08.2014
    Zuletzt bearbeitet: 29.08.2014
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    Das wäre zwar zu begrüßen, jedoch wirst Du genau das auch in absehbarer Zukunft nicht finden, da dies von interessierten Kreisen und Lobbyisten vehement verhindert oder zumindest in den bekannten, nichts sagenden oder verschleiernden Formulierungen mündet.
    Und genau deswegen ist es vorteilhaft sich eben doch mit dem Geist der Aufklärung im Sinne Kants zu befassen. Denn mit einer solchen Erkenntnis wird es plötzlich gar nicht mehr 'aufwändig' oder 'lästig' sich um die wahrhaftigen Dinge zu kümmern, sondern die Bedeutung, die Kraft der freien Entfaltung der eigenen Persönlichkeit tritt in den Vordergrund. Und ein gewisses Maß an Zorn ist durchaus hilfreich die eigene Bequemlichkeit zu überwinden und sich aktiv für die wirklichen Dinge des Lebens einzusetzen. Für die Freiheiten, die wir heute haben, sind in früheren Jahren Menschen auf die Straße gegangen und sind dafür gestorben… Nochmal Stephan Hessel: Empört Euch! - Engagiert Euch!

    Es ist zwar mehr oder weniger Theorie, aber dennoch einen Gedanken in Bezug auf die Macht des aufgeklärten Bürgers und Konsumenten wert: was wäre wohl, wenn eine Million Autokäufer mal vier Wochen mit dem Kauf eines Neuwagens warten würden?

    Inspirierte Grüße
    Sebastiano
     
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  8. #348 Sebastiano, 28.08.2014
    Zuletzt bearbeitet: 29.08.2014
    Sebastiano

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    Das fände ich auch wünschenswert, ich kaufe nur derartige Produkte. Jedoch - es sind und bleiben zu wenige, da bin ich dann auch Realist. Zu mächtig ist einerseits die Lobby der Konzerne und deren Medienmacht, und zu gering ist das allgemeine Wissen und das Interesse an diesen Mechanismen.
    Aber dennoch gibt es keine Resignation - dieser Thread ist ja ein schönes Beispiel dafür. Jedoch ist ein Internetforum nichts gegen die Realität 'da draußen'. Also heißt es im Freundeskreis, in den Läden - die Menschen aufmerksam machen auf diese Mechanismen.

    Ich zitiere hier nochmal Tara, die ich damit keineswegs kritisch darstellen möchte, ganz im Gegenteil. Ihre Äußerung ist aber ein treffliches Beispiel für die weit verbreitete Ansicht über den Stellenwert von Lebensmitteln:
    Ich erinnere mal daran: es handelt sich hier um Lebens-Mittel - das ist lebensnotwendige Nahrung, die wir unmittelbar unserem Organismus zuführen um unsere eigene Existenz so gut und gesund wie möglich und na klar: auch genussvoll, zu gewährleisten. Wir könnten auf vieles verzichten, aber nicht auf möglichst naturbelassene, 'saubere' Nahrung, sie wirkt unmittelbar auf unseren Körper und auf unseren Geist. Wir wenden wesentlich mehr Zeit und Energie für viele überflüssige, aber uns als wichtig suggerierte Dinge auf, als für gesunde Ernährung. Der Einkauf und der Umgang mit frischen Lebensmitteln und die Zubereitung, ist eine kreative, leckere, nutzbringende und vor allem eine gewisse Autonomie ermöglichende Tätigkeit - und keine leidige Last. Jeder, der gemeinsam mit Freunden ein leckeres Menü bereitet, gewinnt im Gespräch Erkenntnisse dazu. Dazu brauchen wir weder die 20igste Kochshow im TV, noch den völlig überteuerten Italiener… und übrigens auch nicht den, nur vermeintlich, preisgünstigen Glutamat-Chinesen…

    Und wer Kinder hat, der trägt hier eine ganz besondere Verantwortung. Welches Kind weiß denn heute wirklich, wie eine natürliche Tomate, Erdbeere, Apfel, Milch oder… schmeckt. Bei vielen kommt der Spinat aus dem Tiefkühlkarton und macht 'Blubb'. Und wenn die Kekse alle sind, na und, Bahlsen macht neue, und wenn die Welt alle ist… Viele wachsen damit auf und verlieren völlig den Bezug zu den wahren Dingen, werden leicht manipulierbar für die Segnungen der Lebensmitteltechnologie. Das ist systematisch gewollt, und - das ist überhaupt nicht lustig, denn wie soll so eine achtsame Beziehung zur Natur, der Schöpfung, ja dem Leben entstehen?

    In einem Gespräch mit einer Kindergärtnerin erschrak ich, als sie mir schilderte, wie sie in ihrer Gruppe von 4-5-Jährigen einige dabei hatte, die noch niemals in einem Wald spazieren waren und Natur-Beobachtungen angestellt haben. Und als sie den Kindern einige Äpfel von einer wilden Streuobstwiese mit nach Hause gab, berichtete eines der Kinder ihr Vater sei der Meinung, dass die großen, prallen, wachsglänzenden Äpfel aus dem Supermarkt doch viel schöner aussehen würden. Was soll aus diesen Kindern werden, wenn wir sie nicht auf das nämliche in dieser Welt hinweisen und vor allem - diese Welt und die Früchte der Natur auch und gerade ohne die monopolisierenden Mechanismen der Saatgutkonzerne erhalten?

    Pardon, jetzt habe ich mich zwar etwas 'verstiegen' - aber die genannten Aspekte spielen letztlich alle untrennbar zusammen.

    Gruß
    Sebastiano
     
  9. #349 Bonsai-Brummi, 28.08.2014
    Bonsai-Brummi

    Bonsai-Brummi Mitglied

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    Und da isser ja schon wieder - der offenbar unstillbare missionarische Drang, seinen Mitmenschen bis ins Detail vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben und was sie für wichtig zu halten haben - und vor allem, wie bzw. was nicht: Leute einfach IHR Ding machen zu lassen geht wohl gar nicht... :mad:

    So am Rande: Du weißt als aufgeklärter Mensch natürlich, dass es Früchte der Natur gibt - sogar essbare - deren ganz natürliche Inhaltsstoffe deklarationspflichtig wären, wenn diese Früchte nicht als Natur-, sondern als Industrieprodukte verkauft würden...? ;)
     
  10. 'Ingo

    'Ingo Mitglied

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    Kannst du einen neugierig machen :rolleyes:
    Ich kenne nur die Zitrusfrüchte, die haben es an sich :cool:
     
  11. hawi

    hawi Gast

    Und in der Gemüseabteilung welchen Supermarktes oder auf welchem Wochenmarkt wird man diese Produkte aus Privat-Anbau kaufen können? Richtig! Nirgendwo. Weil die privaten Züchter das Zeug nirgendwo verkaufen dürften. Und genau das ist das Problem.
    Was sollen die Kunden nachfragen? Es wird nichts anderes geben - siehe oben.
     
  12. NiTo

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    Ja eben. Du schießt dir selbst ins Knie, und merkst es nicht 'mal.
    Denn es ist nun mal nicht dasselbe, ob etwas mit irgend einem Inhaltsstoff (nebst anderen) natürlich wächst oder erzeugt wird, oder ob ein Inhaltstoff isoliert (hergestellt), irgendwo hinein gemischt und dann als "natürlich" oder "naturidentisch" deklariert wird. Zur Verdeutlichung: Roquefort ist nicht einfach irgend eine gekäste Milch mit standadisiertem Blauschimmel, und die Inhaltsstoffe des Kaffees (den du sicherlich trinkst, sonst wärst du ja hoffentlich nicht hier) sind bisher nicht einmal alle bekannt.
     
  13. #353 Bonsai-Brummi, 29.08.2014
    Bonsai-Brummi

    Bonsai-Brummi Mitglied

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    Glaub ich nicht - die Nachfrage ist ja da, auch von mir. Und es gibt ja nicht nur die Privaten, die völlig unkontrolliert ihr eigenes Gemüse anbauen dürfen - sondern auch erleichterte Zulassungsverfahren für Kleinbetriebe und "alte Sorten". Die erfreuen sich ja jetzt schon einiger Beliebtheit, also wird's die wird's auch weiterhin geben, da bin ich sicher: Wo Nachfrage ist (also Geld zu verdienen!) finden sich auch Anbieter, um dieses Geld zu vereinnahmen - und die werden sich's auch gewiss nicht nehmen lassen, die besondere Qualität ihrer Produkte genauso werbewirksam raushängen zu lassen wie kleine Kaffeeröster. :)
     
  14. hawi

    hawi Gast

    Vergiss es.

    Schon ein handelsüblicher Bauernhof, der Saatgut aus eigener Zucht verkaufen will, ist lt. dieser Regelung zu groß, um unter diese Richtlinie zu fallen. Von Institutionen wie der Bingenheimer Saatgut ganz zu schweigen, weil u.a. die Zulassung samenfester Sorten extrem erschwert wurde. Unter beiden Aspekten hat die Lobbyarbeit der Pestizid-/Saatgutkonzerne vollen Erfolg gehabt.
     
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  15. amigo

    amigo Mitglied

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    Ich glaube nicht, daß du nur annähernd verstehst, worüber hier diskutiert/gestritten wird, niemand möchte dich davon abhalten, dein "Ding zu machen"

    Gruß
    amigo
     
  16. #356 Sebastiano, 29.08.2014
    Zuletzt bearbeitet: 29.08.2014
    Sebastiano

    Sebastiano Mitglied

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    Bonsei-Brummi,

    auch off topic darf ja so dann und wann ‘mal’ sein:
    Um den inhaltlichen Kontext herzustellen: obiges Zitat bezieht sich auf meine Festellung aus dem Post #352 :
    "…Wir wenden wesentlich mehr Zeit und Energie für viele überflüssige, aber uns als wichtig suggerierte Dinge auf, als für gesunde Ernährung.…"

    Nun, meine Feststellung ist wohl eine leider nicht zu leugnende Tatsache. Ich bitte Dich mal ein wenig in Dich zu kehren und zu analysieren, was in Dir vorgeht, dass Du Dich vom Boten, der lediglich eine Tatsache mitteilt, nämlich mir, so angegriffen fühlst.

    Zudem lassen Deine Äußerungen den Schluss zu, dass Du die Mechanismen des menschlichen Handelns aus einer etwas zu begrenzten Perspektive betrachtest. Jedes Handeln eines Menschen hat Auswirkungen auf andere. Handelt ein einzelner oder nur wenige auf eine bestimmte Weise durch aktives Tun oder auch durch Unterlassung, wirkt sich das zunächst nicht intensiv auf andere aus. Handeln viele Menschen so, hat es recht große und bedeutsame Auswirkungen - auch für denjenigen, der eigentlich von diesen ‘handelnden Menschen’ gar nicht bewusst betroffen werden soll.

    Um Dir diesen Mechanismus zu verdeutlichen, nehme ich mal das Beispiel Milch als einen Stellvertreter für viele andere industriell verarbeitete Lebensmittel:
    Analog übrigens durchaus auf politische und gesellschaftliche Sachverhalte anwendbar.

    Kunde A mag Frischmilch, Kunde B mag lieber H-Milch. Beider werden im Supermarkt fündig.

    Nun gelingt es der Milchindustrie langsam aber stetig, aus rein logistischen und nicht etwa aus qualitativen Gründen, Milch zu produzieren, die durch ein technisches Verfahren eine längere Haltbarkeit ermöglicht. Nun gut, den Geschmack von H-Milch kann vielleicht noch eine recht große Gruppe als - wohlwollend ausgedrückt - ‘wenig natürlich’ beschreiben, aber immerhin hält sie ja lange. Jetzt kommt der Handel und wünscht sich, dass das leidige Problem mit der nur kurze Zeit haltbaren Frischmilch und abgelaufenen Haltbarkeitsdaten zu beseitigen ist - ergo - Frischmilch, die noch halbwegs natürlich nach Milch schmeckt = Verlustgeschäft. Darum ersinnt die Milchindustrie geniale Verfahren, um einen Kompromiss zwischen einst leckerer Frischmilch und weniger leckerer H-Milch zu entwickeln. Hier wird sodann ein Lebensmittel intensiv verarbeitet, auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt - und dies nicht etwa um die Qualität zu 'verbessern' - sondern lediglich um die logistisch vorteilhafte Haltbarkeit zu verlängern…

    Das ganze auf dem Produkt klar und deutlich zu deklarieren würde einen aufgeklärten Verbraucher möglicher Weise verunsichern, also sagen wir es positiv: die Milch ist: Tusch: ‘Länger haltbar’ na bitte. Das finden nun die weniger aufgeklärten Verbraucher extrem interessant, dann kann man die Milch ja viel länger stehen lassen - wie schön - und der Handel freut sich erst recht. Die par Kunden die noch ‘echte’ Frischmilch mögen halten wir noch ein bisserl bei Stange, schreiben drauf ‘Traditionell hergestellt’, das ermöglicht auch einen höheren Preis.

    So, Bonsei-Brummi - gute Industrie - ist doch toll - alle sind glücklich.
    Ich kaufe Frischmilch, die anderen machen IHR Ding, kaufen ‘länger haltbar’, und noch andere eben H-Milch.
    Alles in bester Ordnung.

    Jetzt füllen wir ein bisserl mehr kochendes Wasser in das Glas, in dem der Frosch sitzt, immer schön langsam…

    Die Milchindustrie stellt erfreut fest, dass viele Menschen auf diese wunderbare Segnung der ‘Länger haltbaren Milch’ hereingefallen sind - viele Verbraucher stellen im Laufe der Zeit durch den stetigen Gewöhnungsprozess gar keinen Unterschied mehr fest, wie ‘echte’ Frischmilch mal geschmeckt hat und kaufen die länger haltbare Milch, weil: ist ja länger haltbar und außerdem sehen das gar nicht alle, was da so auf der Packung steht. Das wissen übrigens bis auf den heutigen Tag extrem viele Verbraucher immer noch nicht. Denn wer hat schon immer die Zeit beim Einkauf genau hinzusehen…

    Aus logistischen und Nachfragegründen kann der Handel nun endlich den Regalplatz freiräumen und die kostengünstigeren Großbestellungen von ‘Länger Haltbarer Milch’ durchsetzen. Frischmilch fliegt endlich aus dem Programm.

    Und jetzt - alle glücklich?

    Eben - genau nicht. Was macht der Frischmilchkäufer, der geht im ‘normalen Supermarkt' jetzt leer aus und muss sehen, wo er seine Milch herbekommt - weil andere Menschen durch manipulative Maßnahmen (vielleicht sogar unbewusst) daran mitgewirkt haben, dass ‘seine’ Frischmilch einfach nicht mehr da ist.

    Und nun, Bonsei-Brummi, die Leute haben IHR Ding gemacht - und jetzt beantworte mir die Frage wer hier wem quasi etwas vorgeschrieben hat?

    Ich hoffe, Du verstehst anhand dieses Beispiels, dass jedes Handeln oder Unterlassen eines Individuums, aus welchem Beweggrund auch immer, auch auf einer Meta-Ebene zu betrachten ist, die letztlich Auswirkungen auf andere hat. Tun dies viele, sind die Auswirkungen groß. Und dieses Verbraucher-Handeln erfolgt oftmals nicht etwa aus deren eigener, freier Entscheidung, sondern weil es der Handel und die Industrie unter geschicktem Einsatz des ganzen Instrumentariums der Meinungsbeeinflussung gezielt gesteuert hat und beim wenig informierten Verbraucher freie Bahn dafür hat. Darum ist interessierten Kreisen nicht daran gelegen einen mündigen, kritischen Menschen zu haben, diese Menschen sind schwieriger zu lenken das macht das ganze nur unnötig kompliziert. Lass' die Leute IHR Ding machen wird in einem positiven Licht dargestellt und das fällt speziell bei den Menschen auf fruchtbaren Boden, die in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld ohnehin schon von vielen Einflüssen eingeengt sind oder sich auch nur eingeengt fühlen. Da wird ein vermeintlich aufgeklärtes, mündiges Menschsein nur als störend empfunden, könnte es doch dafür sorgen, dass der eine oder andere erkennt dass sein bisheriges Leben nur das in einer inszenierten 'Truman-Show' war und spürt, dass er ja eigentlich mal aktiv werden müsste. Das macht verständlicher Weise manchen Menschen Angst - so stark - dass sie diese Wahrheit unterbewusst gesteuert einfach leugnen und sich dieser verschließen.

    Ja durchaus, eine treffliche Feststellung: das Leben ist gefährlich, gehe vor die Tür und es erwarten Dich unzählige Gefahren, selbst giftige Früchte, was für eine neue Erkenntnis… Und davor soll uns die gute Industrie mit ihren unendlichen Forschungsressourcen durch die Segnungen der Gentechnik schützen oder wie? Nein, die Natur an sich ist nicht ‘böse’ - jedoch viele menschengemachte Gefahren sind es durchaus - und genau das ist der Grund, warum ich mir wache, aufgeklärte und mündige Menschen - mündige, kritische und aktive Bürger wünsche…

    Bonsei-Brummi, ich gebe mir alle Mühe Dir auch auf Deine, aus meiner Sicht, weniger gehaltvollen Einwürfe sachlich zu antworten. Doch bitte ich um Verständnis, dass ich bei Dir ein nur fragmentarisches Hintergrundwissen vermuten muss und bitte Dich, Deine auch in zeitlicher Abfolge viel zu raschen und somit zwangsläufig nur wenig inhaltlich reflektierten Beiträge vor dem Posten eine gewisse Überlegungs- und Reifezeit zukommen zu lassen. Dieses Forum ist kein Chat… Forenbeiträge sollten im Interesse aller Beteiligten in Ruhe und mit Überlegung formuliert werden, hier findet kein zeitgesteuertes Wettrennen statt. Sonst ist das auch für alle anderen Beteiligten unübersichtlich und wenig ergiebig. Deine Einwürfe binden hier zusehends ineffektiv zeitliche Kapazitäten, die für gehaltvollere Antworten sinnvoller einzusetzen wären.

    Das war jetzt recht deutlich gesprochen, ist aber nicht bös’ gemeint. Aber das Thema und der grundsätzliche Tenor dieses Threads erscheint mir einfach zu wichtig, als ihn durch Deine Einwürfe fortgesetzt zerpflücken zu lassen.

    Mit engagiertem Gruß - und der Bitte um Verständnis an alle anderen
    Sebastiano
     
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  17. domimü

    domimü Mitglied

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    @Sebastiano
    Im Supermarkt finde ich weder Fleisch noch Kaffee noch Brot in der Qualität, die ich suche. Frischmilch hingegen schon, wenn auch nicht zum Discountpreis. Ich bin es schlicht gewohnt, nicht alles an einem Ort vorzufinden.
    Wo ist das Problem?
     
  18. #358 nacktKULTUR, 29.08.2014
    nacktKULTUR

    nacktKULTUR Gast

    Gut beobachtet. Nennt sich kognitive Dissonanz. Zum Weiterlesen.

    Ich vermute, dass diese Eigenschaft der menschlichen Handlungsweise mittlerweile von klugen Markentingstrategen bewusst eingesetzt wird. Um auf das Thema zurückzukommen: Die freie Marktwirtschaft ist eben so frei, sämtliche Mittel - also auch die der logistischen Planung bis hin zur Psychologie frei einzusetzten - zur Gewinnmaximierung. Wer ist "die freie Marktwirtschaft"? Das sind wir alle. In gewisser Weise sind wir alle miteineinander verknüpft, über Zubringerwirtschaft in mehreren Ebenen. Also dient die Gewinnmaximierung auch uns. Aber wollen wir das?

    Solange Diskussionen wie diese hier stattfinden, ist noch nicht alles verloren. Wenn nur ein (mitlesender) Mensch auf andere Gedanken gebracht wird - also z.B. zum Verzicht auf logistisch perfekt optimiertes Flugobst oder zum beharrlichen Nachfragen nach unbehandelter Milch - ist schon etwas erreicht. Wir erleben es immer wieder mit unseren Schülern - der Moment, wo jemand plötzlich nachdenklich vor einem McDonalds (pars pro toto) steht, ist möglich.

    nK
     
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  19. #359 Kaspar Hauser, 29.08.2014
    Kaspar Hauser

    Kaspar Hauser Mitglied

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    Die Menschen wollen irgendwie immer Zeit sparen, ich frage mich wofür?

    Wenn ich Leuten erzähle, wie ich Kaffee mache, daß ich nur noch selbstgebackenes Brot esse etc.,
    kommt immer als Reaktion, daß das alles viel zu aufwändig wäre und so viel Zeit kostet.

    Daß die Beschäftigung und das Zeitnehmen für das eigentliche Leben in Wirklichkeit Lebensqualität ist,
    scheint kaum jemand zu sehen.
     
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  20. strauch

    strauch Mitglied

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    Also ich musste hier vor Ort ganz schön Überzeugungsarbeit leisten das die örtlichen Supermärkte wieder frische Milch trditionell hergestellt in das Sortiment aufnehmen. Ich hab es geschafft, aber es war viel Aufklärung beim Marktleiter notwendig. Ich bekomme leider sehr vieles nicht. Ich esse so gerne Cashew Nüsse, mach es aber nicht weil ich keine bekomme bei denen sich die Menschen nicht die Hände verätzen weil an Handschuhen gespart wird. In manchen Supermärkten gibt es welche von GEPA. Und so gibt es viele Produkte.

    Ja das Frage ich mich auch. Der Mensch wird immer älter hat aber immer weniger Zeit. Und der Druck geht im Kindesalter schon los, Früherziehung. Abi jetzt mit 12 Jahren.... welcher Zug fährt da eigentlich ab?

    Ich krieg auch immer die Frage gestellt wie machst du eigtl. Kaffee wenn mal viele Leute da sind..... Meine Antwort ist immer wer keine Geduld hat krieg kein Kaffee.

    Dafür sorgen die Medien und die Politik gibt da was schönes von Christoph Siebert:
     
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