Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gral

Diskutiere Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gral im Grundsätzliches Forum im Bereich Fragen und Tipps; Als leidenschaftlicher Kaffeetrinker und Physiker (ja, beides leidenschaftlich :-D) geht mir seit einiger Zeit folgende Idee nicht mehr aus dem...

  1. #1 Tom28, 15.01.2012
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 15.01.2012
    Tom28

    Tom28 Gast

    Als leidenschaftlicher Kaffeetrinker und Physiker (ja, beides leidenschaftlich :-D) geht mir seit einiger Zeit folgende Idee nicht mehr aus dem Kopf.

    Zunächst die Grundlagen (bitte korrigieren, falls hier etwas nicht richtig ist):
    Es geht mir hier darum, aus gerösteten Bohnen ein möglichst gutes Getränk herzustellen, Rösten und Qualität des Rohkaffees ist nicht das Thema. Wir haben also unsere gerösteten Bohnen, die gewisse Stoffe enthalten (Koffein, Säuren, Bitterstoffe, Aromastoffe,...). Ziel der Kaffeezubereitung ist nun, möglichst viele "gute" und wenig "schlechte" Stoffe aus den Bohnen ins Wasser zu extrahieren. Das jeweilige Ergebnis hängt von den drei Parametern Wassertemperatur, Druck und Kontaktzeit ab. Der Mahlgrad beeinflusst nur die Gesamtoberfläche des Pulvers und somit die Effizienz der Bohnennutzung bzw. beim Siebträger indirekt die Parameter Zeit und Druck. Espresso erzeugt ein besseres Ergebnis als Filterkaffee, weil durch die hier vorhandenen Parameter (= höherer Druck, geringere Kontaktzeit) mehr Aroma- und weniger Bitterstoffe gelöst werden und außerdem die Kaffeeöle nicht herausgefiltert werden. Soweit zum bisherigen Stand der Forschung.

    Bei einer nach italienischer-Espresso-Verordnung arbeitenden Siebträgermaschine trifft das Wasser mit 9 bar auf die Oberseite des gemahlenen und gepressten Kaffeepulvers und tritt als Espresso am anderen Ende des Pucks bei Atmosphärendruck heraus. Das heißt, der Druck nimmt durch den Strömungswiderstand des Pulvers kontinuierlich ab, beträgt also in der Mitte des Pucks nur mehr 4,5 bar, am Ende gar nur mehr 0 bar. Siebträgermaschinen sind also nicht in der Lage Kaffee bei homogenem Druck zu extrahieren, der resultierende Espresso ist deshalb immer ein Kompromiss aus sehr hochwertigem Teil (d.h. bei optimalem Druck extrahiert) und minderwertigerem Teil (etwa gegen Ende wie beim Filterkaffee annähernd drucklos extrahiert).

    Um die optimalen Parameter im gesamten Puck herzustellen, bestünde eine mögliche Konstruktion daraus, den Auslauf einer gewöhnlichen Siebträgermaschine ebenfalls unter Druck zu stellen. Angenommen, der ideale Druck wäre 7 bar, könnte man 7,5 bar oberhalb, 6,5 bar unterhalb des Pucks anlegen. Durch gröberen Mahlgrad und größere/mehr Löcher im Sieb bringt man die Durchlaufzeit auf günstiges Niveau (wegen geringerem Druckunterschied muss der Strömungswiderstand auch kleiner sein) und heraus kommt nur der edelste Teil des Espressos - der heilige Gral der Kaffeezubereitung.

    Ist soweit alles nachvollziehbar oder habe ich irgendwo einen Denkfehler?
     
    pfelix gefällt das.
  2. #2 torkscoffee, 15.01.2012
    torkscoffee

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    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    Ich bestelle auf jdenfall schonmal so ein maschinchen;-)und bin gespannt auf weitere beiträge.denn in physik hatte ich eine ....:lol:
     
  3. #3 Bubikopf, 15.01.2012
    Bubikopf

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    1. Denkfehler.
    2.
    Dann hat der Puck aber nur 1 Bar Druck. Der Druck ist die Kraft, die das Wasser durch den Kaffeewiderstand treibt. Der Druck ist gar nicht so sehr verantwortlich für die Extraktionseigenschaften, Temperatur, Zeit und Wassermenge sind da weit wichtigere Faktoren.
    Wenn deine Theorie stimmen würde, wären die Sonderkonstruktionen ala Gran Crema ST der Gral der Kaffeezubereitung, es ist in Wirklichkeit aber nur eine Krücke bei fehlender Espressomühle.
    Bei den 9 Bar Brühdruck handelt es sich um den Differenzdruck zum atmosphärischen, sonst würden die Manometer ja immer bei ausgeschalteter Maschine 1 Bar anzeigen.
    Gruss Roger
     
  4. #4 Tomandjerry, 15.01.2012
    Tomandjerry

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    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    Der Druck von unten müsste dann Luftdruck oder ein anderer Gasdruck sein. Mit Wasser bekäme man dünnen Kaffee. Ich frage mich, ob der Luftdruck das Druckgefälle im Kaffeepuck wirklich ausgleichen kann. Kann man sich dem Idealzustand nicht schon dadurch annähern, dass man Siebe mit größerem Durchmesser nimmt, wodurch der Puck weniger hoch wird und damit das Druckgefälle kleiner?
     
  5. Tom28

    Tom28 Gast

    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    @Bubikopf 1:
    Zugegeben, das war etwas provokant formuliert, aber nachdem der Großteil der Leute im Forum (die ich mal als "Experten" bezeichnen würde) in erster Linie Espresso trinken, wage ich diese Behauptung zu vertreten.

    @Bubikopf 2:
    Das Argument geht schon in eine Richtung, in der ich mir noch nicht 100%-ig sicher bin. Wie genau beeinflusst der Druck das Ergebnis, ist der Druckunterschied relevant oder der absolute Druck im Puck? Falls du ersteres vertrittst, kannst du genau erläutern, warum?
    Zur Irrelevanz des Druckes: Aber es lässt sich doch z.B. ohne Druck nie ein Espresso-ähnliches Ergebnis produzieren, oder?
    Das Crema-Siebe-Argument ist interessant, dazu müsste man wissen ob die Siebe wirklich einen so starken Gegendruck (>1 bar) erzeugen. Hat jemand Messergebnisse? Falls ein Besitzer einer Handhebelmaschine mit Manometer Lust hat, könnte er testen, wie viel Druck man braucht, um 25 ml Wasser in 25 sec durch ein Gran-Crema-Sieb (ohne Pulver) zu pressen.

    @Tomandjerry:
    Ja, der Gegendruck müsste Luftdruck sein. Sollte technisch aber kein Problem sein, das zu realisieren.
    Größerer Siebdurchmesser würde am Problem nichts ändern. Am Siebausgang liegt immer Atmosphärendruck an, es fiele also bei geringerer Puckhöhe einfach dafür mehr Druck pro Höhe ab.
     
  6. ivo60

    ivo60 Mitglied

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    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    ...hallo, das würde aber auch bedeuten, dass man mit einer höheren Temperatur arbeiten muss um einigermasen ein gutes Ergebnis zu erzeugen:-?
     
  7. Tom28

    Tom28 Gast

    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    Hm, ich verstehe nicht, welchen Einfluss das auf die Temperatur hat.
    Man kann ja trotzdem alle Beteiligten (inkl. die Durckluft) vorheizen auf 80-90°, oder?
     
  8. #8 mcblubb, 15.01.2012
    mcblubb

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    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    Hört sich interessant an.

    Die Ersten Formen der Kaffeezubereitung wurde von Äthiopischen Viehhirten entwickelt.
    Ein echter Sprung wurde durch den Mailänder Ingenieur Luigi Bezzera ermöglicht....


    Jetzt erobert die Wissenschaft das Feld:cool:


    Lästerliche Grüße;-)

    Gerd
     
  9. #9 Bluemountain2, 15.01.2012
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    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    Richtig, weil du ohne Druck die geringe Menge an Wasser nicht aus dem Pulver bringst (du hast einfach Schlamm). Es sei den, du mahlst viel gröber (Filter), dann hast du aber Unterextraktion. Darum geht's ja bei dem Spiel: genügend Stoffe lösen bei unterschiedlicher Wassermenge, d.h. entweder du fügst die "Energie" via grössere Wassermenge und längerer Brühzeit hinzu oder via Druck und grosser Oberfläche (feiner Mahlgrad). Mit wenig Wasser (Espresso) hast du das intensivere Geschmackserlebnis, aber keinesfalls das "bessere" (wie Bubikopf schon anmerkte). Die Musik (Aromen) ist dieselbe, nur die Lautstärke ändert (nicht ganz, aber als Vereinfachung genügt es).

    Die Espresso-Extraktion ist rein theoretisch schon nicht homogen, weil z.B. auch die Temperatur unten im Sieb erst viel später auf Brühtemperatur kommt. Das Ganze korrigiert sich aber irgendwie selbst, weil die obere Puckschicht irgendwann nur noch schwer lösliche Stoffe zu bieten hat und das Wasser so die leicht löslichen der unteren Schicht aufnimmt.

    Ist alles sehr vereinfacht ausgedrückt - wenn dich das Thema interessiert, empfiehlt sich das Illy-Buch: Amazon.com: Espresso Coffee, Second Edition: The Science of Quality (9780123703712): Andrea Illy, Rinantonio Viani: Books

    Gruss
    BM
     
  10. #10 StefanW, 15.01.2012
    Zuletzt bearbeitet: 16.01.2012
    StefanW

    StefanW Mitglied

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    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    Ich schlage vor, den Puck nach der halben Zeit einfach umzudrehen und dann die zweite Hälfte zu extrahieren. Dann ist den Vorschriften zur Gänze Genüge getan.;-)
     
  11. helges

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    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    Das duerfte der Knackpunkt sein.
    Du gehst davon aus, dass unten im Sieb das Kaffeepulver nur ansatzweise ausgenutzt wird, da durch den geringen Druck nicht mehr richtig extrahiert wird und da bin ich mir nicht so sicher.

    Die ganze Wassermenge muss da ja auch durch und ich glaube, dass es eine "Druckverschiebung" gibt, sprich die anfangs nur oben anliegenden 9bar duerften nach unten wandern und eben nicht nur oben anliegen.
    Glauben ist aber wieder mal nicht wissen.
     
  12. #12 domimü, 15.01.2012
    domimü

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    Das würde ich so nicht formulieren. Die Kontaktzeit kann man ja selber bestimmen. Je länger die Kontaktzeit, umso mehr Bitterstoffe werden gelöst. Ist also eher die Durchflussmenge, die du damit beeinflusst. Darf ich Kaffeewiki empfehlen?
     
  13. #13 Dieselweezel, 15.01.2012
    Dieselweezel

    Dieselweezel Mitglied

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    Interessant finde ich, dass in einer wissenschaftlichen Annäherung zum Thema Espresso das wichtigste vollkommen fehlt: der Mahlgrad und die Mühle. Die reine Extraktion macht eigentlich jede einigermaße hochwertige Espressomaschine recht gut.

    Wenn man vorhat den Espresso zu verbessern, ist sicherlich die Mühle das Thema, an dem man ansetzen sollte, dort findet sich Potenzial.

    Übrigens ist unter Kaffeekennern eines klar: Brühkaffee erzeugt eine deutlich bessere Kaffeequalität, auch wenn wir hier den Espresso sehr schätzen. Deshalb werden teuere, hochwertige Kaffees auch vorwiegend gebrüht und auch als Brühkaffee verkostet.
     
  14. #14 domimü, 15.01.2012
    domimü

    domimü Mitglied

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    Jaja die Zeiten ändern sich
    Sorry, ich verabschiede mich aus der Diskussion.
     
  15. Tom28

    Tom28 Gast

    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    Hm, also alle meine Überlegungen basieren darauf, dass unter Druck substanziell andere Stoffe (bzw. die Stoffe in anderem Mengenverhältnis) herausgelöst werden als ohne Druck. Wenn mir jemand sicher bestätigen kann, dass das nicht der Fall ist, höre ich sofort auf ;-).
    Aber wenn man z.B. einen Espresso soweit mit heißem Wasser streckt, dass das Aroma in etwa so stark ist wie in einem Filterkaffee, wird der Verlängerte doch trotzdem anders (besser? weniger bitter?) schmecken, oder?

    Danke für die Buchempfehlung, das wär genau das richtige für mich. Leider ein etwas stolzer Preis...
     
  16. GHU

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    AW: Jenseits des Siebträgers - Ein Physiker auf der Suche nach dem heiligen Kaffee-Gr

    Angenommen das Kaffeepulver wird nur oben im Puck optimal genutzt,
    dann müsste man doch nur ein sehr grosses flaches Sieb bauen, auf dem das Pulver nur ein Millimeter dick wäre, bei angenommenen 8g für ein Einersieb und hätte bei 9 bar - oder auch anderem Druck - eine optimale gleichbleibende Ausnutzung des Kaffeepulvers, wenn mann den Druck gleich verteilt aufbringen könnte, ggf. mit Präinfusion usw. - dann würde Druck von oben reichen - richtig ?

    Ob diese Maschine schön wäre und in meiner Küche Platz hätte ??

    Gruß
    Gerhart
     
  17. #17 Bubikopf, 15.01.2012
    Bubikopf

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    Entscheidend sind Zeit, Wassermenge und Mahlgrad ( und Temperatur ). Wird das Wasser mit Druck durch den Puck gedrückt, werden Öle emulgiert. Das liegt aber nicht am Druck an der einzelnen Kaffeeflocke, der ist partiell eher gering, sondern am forcierten Fluss des Wassers und am sehr feinen Mahlgrad. Sickert das Wasser nur durch den Kaffee, werden die Kaffeefette nicht gelöst. Die unterschiedlichen Extraktionsgrade oben und unten im Puck resultieren daraus, daß unten im Puck bereits gesättigtes Wasser ankommt, der untere Teil des Pucks extraktionsmäßig erst aufholt, wenn oben bereits fast alles aus dem Kaffee gelöst ist. Deshalb sind ein Großteil der Siebe auch unten konisch zulaufend.
    Zum Verlängern: Der ph Wert eines Kaffees ist abhängig von der Zahl der gelösten Wasserstoffteilchen / Wassermenge. Daher wird ein Espresso aufgrund der geringen Wassermenge immer saurer sein als ein langer Kaffee aus den gleichen Kaffeebohnen. Nimmt man eine typische Espressoröstung ( weniger Säure durch längeres Rösten ) und verlängert den Kaffee, wird der Kaffee zu wenig Säure haben und stumpf bis bitter schmecken.
    Gruss Roger
     
  18. #18 Bluemountain2, 15.01.2012
    Bluemountain2

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    Dieses "substanziell andere Stoffe" gilt soviel ich weiss nur für die nicht-löslichen, die löslichen Bestandteile und Gase sind die gleichen und werden idealerweise auch etwa in gleichem Masse aus dem Pulver extrahiert.

    Die nicht-löslichen habe zwar schon Einfluss auf die Säure/Bitter-Wahrnehmung, aber dem kann man ja auch entgegenwirken? Daraus eine Brühmethode als besser oder schlechter einzustufen würde mir persönlich ziemlich schwer fallen...

    Gruss
    BM
     
  19. #19 mcblubb, 16.01.2012
    mcblubb

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    Nur mal ein kleiner Denkanstoß:

    Wenn Du vorm Puck 9 bar Wasserdruck anlegst und hinter dem Druck 6 bar. Dann fallen im Puck 3bar Wasserdruck ab.
    Das gleiche passiert, wenn Du vorm Puck 4 bar anlegst und gegen Umgebungsdruck 1bar fährst.

    Neben Extraktion muss auch ein Durchfluss gegeben sein, sonst wird überextrahiert.

    Wenn nu Deine These ist, dass es einen Einwirkdruck auf den Kaffe braucht, wäre eine Versuchsanordnung:
    Kaffee brühen unter Umgebungsdruck, mit Druckbeaufschlagung von 2 bar, 4bar und 6bar. Das sollte in jedem Labor mit Autoklav realisierbar sein.

    Persönlich glaube ich allerdings, dass bei den kurzen Benetzungszeiten von unter 1 min nicht genügend Zeit fürs Wasser bleibt um unter Druck tiefer in den Mahlgutpartikel einzudringen und (!) wieder rauszukommen.

    Gruß

    Gerd
     
  20. #20 meister eder, 17.01.2012
    Zuletzt bearbeitet: 17.01.2012
    meister eder

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    das ist, wie schon bemerkt, eine fehlannahme: beides führt unter ausnutzung geeigneter algorithmen und durch eine vielzahl von iterationen jeweils in ein lokales optimum. ein globales optimum ist durch die individuell unterschiedliche gewichtung einzelner faktor nicht determiniert, kurz, über geschmack kann man streiten ;).

    der druck, den du scheinbar als wichtigsten parameter ansiehst, erfüllt im wesentlichen zwei funktionen: 1. antrieb für das wasser, 2. erhöhung der diffusion.

    der lokale druck steigert die diffusionsrate ähnlich wie eine höhere temperatur, sodass die sonst gleichen parametern die extraktion steigt. allerdings scheint es so, dass dabei vermehrt bitterstoffe gelöst werdenund die säure reduziert wird, wahrscheinlich sogar durch chemische prozesse. durch geeignete wahl von druck und temperatur lässt sich also ein ausgewogener geschmack erzielen, der weder übermäßig bitter noch sauer ist. soweit dazu.

    mindestens ebenso wichtig ist aber die druckdifferenz über den puck (von oben nach unten...), denn sie ist für den transport des wassers nötig. nur durch einen hohen druck lässt sich das wasser durch derart feiner pulver bewegen. feines pulver nimmt man deshalb, weil es innerhalb der partikel einen eher geringen gradienten an gelösten bzw. ungelösten stoffen aufweist, sodass es nicht zu einer kombination aus überextraktion (viele bitterstoffe) am rand und unterextraktion im inneren kommt. zusätzlich zu den wasserlöslichen feststoffen gibt es im pulver noch öle und gase. die öle werden durch das wasser mitgespült, ebenfalls vermehrt vom äußeren der partikel aus. gase, vor allem co2 lösen sich in wasser nur bei hohem druck, sodass sie ebenfalls gelöst mitschwimmen und erst beim austritt aus dem sieb aus der flüssigkeit austreten, sodass zusammen mit dem öl die feinen bläschen der crema entstehen. beim filterkaffee ohne druck wird zwar auch schaum erzeugt, aber der ist viel gröber und nicht stabil. außerdem erzeugt der druckgradient eine migration von sehr feinen bestandteilen des pulvers richtung tasse, die ebenfalls für farbe und konsistenz der crema sorgen. sogar in der flüssigen fraktion des espresso kann man eine verringerte viskosität durch diese partikel festellen. würdest du auf den druckgradienten verzeichten und nur lokal deinen optimalen druck einstellen, müsstest du auf all das verzichten.
    dass der druck am ende des pucks auf null zurück geht, dürfte ebenfalls eine fehlannahme sein. das tut er tatsächlich nicht, da sich in die vergleichsweise weit auseinander liegenden und engen löcher des siebs sofort einzelne körnchen setzen, die den strömungswiderstand lokal stark erhöhen und so dafür sorgen, dass ein wesentlicher teil des gesamtdruck an ihnen abfällt, in erster näherung wie beim ohmschen gesetz, vergleichbar mit einer reihenschaltung zweier widerstände. es existiert also durchaus ein druckgradient im pulver selbst, aber an der unterseite des siebs kommt es mehr oder weniger zu einer unstetigkeit des druck, zumindest zu einem stark erhöhten gradienten.

    so würde ich mir das zumindest erklären. ein paar genauere hinweise gibt's noch in scott rao's professional baristas handbook.

    edit: unter www.professionalbaristashandbook.com/sample-pages.html kann man sich sogar einige interessante seiten direkt ansehen.

    gruß, max
     
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