Grundsatzfrage: "Rezeptfindung"

Diskutiere Grundsatzfrage: "Rezeptfindung" im Grundsätzliches Forum im Bereich Fragen und Tipps; Hallo, ich bin neu in diesem Forum und habe die letzten Wochen nur mitgelesen. Nachdem nun auch in unseren Haushalt eine Espresso Maschine nebst...

  1. #1 DanG., 03.02.2016
    Zuletzt bearbeitet: 03.02.2016
    DanG.

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    Hallo,


    ich bin neu in diesem Forum und habe die letzten Wochen nur mitgelesen. Nachdem nun auch in unseren Haushalt eine Espresso Maschine nebst Mühle eingekehrt ist habe ich mich auch praktisch mit der Sache befasst.


    Hier im Forum wird sehr gerne dieser Ansatz verfolgt:

    https://www.kaffee-netz.de/threads/mahlgrad-menge-und-geschmack.77032/

    https://www.kaffee-netz.de/threads/mehr-espresso-gleiches-aroma.97028/page-2


    Lenzlich wird viel Fokus aus Flow und Extraktion gelegt, und dieser über das Ändern von Mehlmenge und Mahlgrad gesteuert. Wobei Einhaltung von Zeit, Kesselkucken (Farbänderungen beim Bezug) und Ertrag propagiert wird.


    Als Einsteiger habe ich mich versucht so an einen leckeren Espresso zu tasten. Die Ergebnisse waren allerdings sehr schwankend und ich konnte einfach kein reproduzierbares "Rezept" für mich finden. Problematisch war dabei vor allem das die Sprünge in den Ergebnissen meistens sehr gravierend waren. Von sehr sauer auf zu bitter usw.. Grade das gleichzeitige Verändern von Mahlgrad und Mehlmenge halte ich für sehr ungünstig da an zwei Variablen und damit im Endeffekt allen Kriterien des Espresso gleichzeitig gedreht wird.


    Dazu kamen bei mir permanenten Probleme mit Channeling trotz 2er VST Sieb und hochwertigem 58,5mm Tamper. Deutlicher Schritt in die richtige Richtung war dann die Anschaffung eines Tampers mir Auflage (Puck Tamper System), damit war Channeling und rumgespritze direkt und anhaltend erledigt. Sowie Dosierung (in/out) über eine Waage in g anstelle von Sieb glattstreichen & Shotgläsern in ml. Diese Konstanten haben auch meine Ergebnisse direkt konstanter gemacht (wenn auch nicht direkt besser). Dies hat weniger etwas mit Rezeptfindung zu tun, wollte es aber trotzdem erwähnt haben. Relativiert sicher zum Teil auch meine Probleme mit dem hier im Forum gerne gegebenen Tips.




    Bei meinen Goolgle/YT Abenden bin ich dann auf Perger und seinen Ansatz gestoßen.

    http://www.baristahustle.com/espresso-recipes-analyzing-dose/

    http://www.baristahustle.com/analyzing-espresso-recipes-strength/

    http://www.baristahustle.com/espresso-recipes-measuring-yield/

    http://www.baristahustle.com/espresso-recipes-understanding-yield/

    http://www.baristahustle.com/espresso-recipes-time/

    http://www.baristahustle.com/espresso-recipes-putting-it-all-together/


    Er geht dabei anders zu dem hier herrschenden Ansichten vor. Mehlmenge wird fixiert. Danach der Ertrag. Als letztes die Extraktion/Stärke über Zeit/Mahlgrad.

    Nach der Methode habe ich nun auch sehr schnell gute bis sehr gute Ergebnisse gefunden.


    Dabei finde ich seinen Ansatz auch sehr nachvollziehbar. Im Nachhinein habe ich dann auch mehr von dem Mann gesehen und gelesen. Hier scheint er auch bekannt zu sein über den Mühlenhype, zu seinen Ideen zum Thema Rezeptfindung fande ich keine Einträge. Generell scheint er eher der Ansicht zu sein das die "Zubereitung" des Espresso automatisiert werden sollte, und der "Barista" vorrangig für Rezepte und Service zuständig ist. Seine Ansichten kann man gut finden oder auch nicht... erklärt aber sicher seine Herangehensweise.


    Nun würde mich trotzdem interessieren was ihr von seiner "Rezeptfindung" haltet und warum es sich hier (wo scheinbar doch sehr viel international mitgelesen wird) niemand dafür zu interessieren scheint. Letztlich alles doch nur alter/kalter Kaffee? :)
     
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  2. #2 domimü, 03.02.2016
    domimü

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    Ich glaube, dass die meisten hier gerade nicht nach der/den oben beschriebenen Herangehensweise vorgehen.
    Insbesondere sollte man erst mal probieren, welche Mengenänderung welche Mahlgradänderung ausgleicht. Und wenn man die Extraktion als Parameter (statt Resultat) sieht, diese auch tatsächlich messen.
    Zum Ziel führen viele Wege, ehrlich gesagt, habe ich mir das Vorgehen von Perger noch nicht gründlich angeschaut. Was bei den einzelnen Methoden passiert, ist ja durchaus interessant, und es spricht nichts dagegen, jede davon in getrennten Sessions kennen zu lernen. Nur sollte man nicht erst 10 Meter vom einen Weg, dann 30 Meter vom anderen Weg und wieder 15 m vom dritten Weg gehen, die Ergebnisse wären nach der Monte-Carlo-Methode selten gut.
     
  3. #3 dharbott, 03.02.2016
    dharbott

    dharbott Mitglied

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    @DanG Ist doch super wenn es bei Dir so funktioniert hat. Ich halte im Allgemeinen von Perger und seinen Ideen wenig, bin aber subscriber seines Barista Hustle und lese gerne das was er schreibt. Aber wie gesagt mir ist das alles zu stressig und eine unnötige Verkomplizierung eines sehr einfachen Vorgangs. IdR lasse ich die Scheiben klirren, drehe von dem Punkt aus 90Grad zurück und mache noch eine Feinjustierung bis ich in meinem Zielfenster von größer >20Sekunden bin. Ggfs noch Temperatur einstellen wegen (sauer/verbrannt) und fertig. Final Brühratio bestimmen und fertig bin ich.
     
  4. Ganzo

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    Hallo Dan,

    ein Brührezept ist dann sinnvoll, wenn man mit einem bestimmten Equipment für eine bestimmte Kaffeesorte zu einer bestimmten Zeit die ideale Einstellung gefunden hat.
    Wenn man diese Werte notiert, kann man sie für spätere Bezüge dieser Sorte als Startbasis verwenden.
    Aber schon eine kleine Abweichung beispielsweise in der Röstung oder in der Frische der Bohnen erfordert eine Änderung der Werte.

    Jede Kaffeesorte (weichere oder härtere Bohnen, heller oder dunkler geröstet usw.) braucht für jedes Equipment ihr eigenes Rezept.
    Das bedeutet, selbst wenn jemand mit dem gleichen Kaffee eine Einstellung für einen gelungenen Bezug gefunden hat, nützt Dir sein Rezept nichts, weil Du im Zweifelsfall mit einer anderen Maschine beziehst, auf einer anderen Mühle mahlst, ein anderes Sieb benutzt, eine andere Temperatur hast etc.
    Fazit: Du kannst Dir Dein Rezept nur selbst erstellen.

    Nun zur Methoder der "Rezeptfindung":

    Von der Methode nach Perger halte ich nichts. Die Begründung habe ich in folgendem Beitrag gegeben: https://www.kaffee-netz.de/threads/mahlgrad-menge-und-geschmack.77032/page-3#post-1163702

    Statt dessen schlage ich eine andere Methode vor:
    Ich würde mit der Nenndosis für das Standardsieb (nicht VST-Sieb!) beginnen, einen relativ feinen* Mahlgrad wählen und dann einen Bezug bis ins blonding hinein machen.
    * ein feiner Mahlgrad ist vorteilhaft, weil er fehlertoleranter ist und das Ergebnis meist milder schmeckt

    Mit der Standarddosis und einem feinen Mahlgrad erhält man eigentlich immer einen Basisbezug, der mit hoher Wahrscheinlichkeit 25 - 45sek dauert, 15 - 45 gr wiegt und eine Extraktionsrate von 15% - 25% aufweist.
    Das ist ein großer espressospace mit einer möglichen Extraktionsrate von 15% - 25% und einer Konzentration, die von lungo bis ristretto reicht.
    Diesen Basisbezug würde ich dann meinen persönlichen Vorlieben für Geschmack und Konzentration anpassen.
    Diese Variablen korrelieren mit Extraktion bzw. Flow und werden direkt von Mahlgrad und Dosis beeinflußt. Mit anderen Worten: Geschmack und Konzentration sagen mir, wie ich Mahlgrad und Dosis ändern muß.

    Änderung des Geschmacks bei gleicher Konzentration
    süßer : feiner mahlen und niedriger dosieren für mehr Extraktion
    saurer/bitterer: gröber mahlen und höher dosieren für weniger Extraktion​

    Änderung der Konzentration bei gleichem Geschmack
    dünner: gröber mahlen und niedriger dosieren für mehr Flow (weniger Konzentration)
    dicker: feiner mahlen und höher dosieren für weniger Flow (mehr Konzentration)​

    Warum funktioniert diese Methode?
    Das wichtigste Anliegen bei einem guten Bezug ist es, eine Über- oder Unterextraktion zu vermeiden. Voraussetzung dafür ist aber, daß man bis ins blonding bezieht.

    Dann sind nämlich alle erwünschten Geschmacksstoffe gelöst, welche mit dieser Kombination aus Bohnensorte, Temperatur, Sieb, Mahlgrad und Dosis möglich sind.

    Diese Voraussetzung ist aber noch nicht hinreichend für einen trinkbaren Bezug.
    Erst wenn das blonding ins richtige Bezugsfenster (espresso space, s.o.) fällt, dann hat man einen Basisbezug, den man nur noch den eigenen Vorlieben anpassen kann.

    Die Verwendung von Mahlgrad und Dosis zur Anpassung hat den Vorteil, daß man Extraktion und Flow auch getrennt voneinander ändern kann und keinen Kompromiß eingehen muß wie bei Perger.

    Dem besseren Verständnis dieser Methode dient auch der folgende Beitrag:

    Gruß, Ganzo
     
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  5. DanG.

    DanG. Mitglied

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    Ein solches Rezept ist nur unter "identischen" Umständen wirklich reproduzierbar, keine Frage das man also es sich selbst für seine Geräte und jede Bohne neu erstellen muss. Dennoch denke ich als Anhaltspunkt würde sich Ratio, Zeit & Temperatur auch zum Tauschen anbieten. Manche Röster geben diese Werte ja auch zu Ihren Bohnen an.

    Generell kann ich Pergers Ansatz nachvollziehen. Mit X Gramm Mehl wird immer nur ein bestimmtes Maximum an Espressostärke erzielt werden können. Diese Stärke kann mit Y Gramm Wasser variiert werden. Über die Zeit Z kann man nun die Extraktion/Stärke weiter anpassen.

    Das sind drei Parameter die immer gelten. Letztlich machst du/Schulmann nichts anderes als diese drei Parameter anzupassen.

    Natürlich komme ich durch gleichzeitiges ändern mehrere Parameter theoretisch schneller ans Ziel. Es erfordert aber zwingend das man auch die Wechselwirkung verinnerlicht hat und vorallem zu steuern weiß. Dazu kommt das man blonding wie du es beschreibst wirklich genau bewerten können muss.
     
  6. Ganzo

    Ganzo Mitglied

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    Zitat:
    "Mit X Gramm Mehl wird immer nur ein bestimmtes Maximum an Espressostärke erzielt werden können. Diese Stärke kann mit Y Gramm Wasser variiert werden. Über die Zeit Z kann man nun die Extraktion/Stärke weiter anpassen. Das sind drei Parameter die immer gelten.
    Letztlich machst du/Schulmann nichts anderes als diese drei Parameter anzupassen".


    Das hat nichts mit der Methode nach Schulman zu tun. Die Essenz der Methode lautet:

    Zunächst muß man lernen, mit Hilfe von Mahlgrad und Dosis handwerklich saubere Bezüge zu erzeugen.
    Das bedeutet, zu verschiedenen Dosen jeweils den passenden Mahlgrad zu finden, um Bezüge machen zu können, die im "Espresso-Fenster" liegen und kein "channeling" aufweisen.

    Wenn man das beherrscht, dann kann man anfangen, wirklich gute Espressos zu machen, indem man sich anhand des Kaffees ein Ziel für Geschmack und Konzentration setzt, daraus die erforderlichen Werte für Mahlgrad und Dosis ableitet und so manipuliert, daß dieses Ziel erreicht wird.
    Diese Sichtweise von Geschmack und Konzentration auf die Barista-Variablen Mahlgrad und Dosis bietet einen großen Vorteil bei der Suche nach dem besten Geschmack.

    Sie macht es nämlich möglich, die richtigen Korrekturen an Mahlgrad und Dosis aus den gewünschten Änderungen an Geschmack und Konzentration abzuleiten.

    Diese Methode ist wesentlich effektiver als das weitverbreitete Herumdoktern an bestimmten Werten für Bezugsmenge und Bezugszeit oder Brührate. Deshalb ist sie nach meiner Meinung für Einsteiger besonders gut geeignet.
    "Natürlich komme ich durch gleichzeitiges ändern mehrere Parameter theoretisch schneller ans Ziel. Es erfordert aber zwingend das man auch die Wechselwirkung verinnerlicht hat und vorallem zu steuern weiß."

    Genau das gilt es zu lernen und dabei sollen meine Beiträge helfen.
    Das Ändern einzelner Variablen, wie immer wieder empfohlen wird, ist nur dann sinnvoll, wenn man ihre Wirkung noch gar nicht kennt.
    Wenn man aber schon weiß oder nachlesen kann, was sie bewirken, dann ist es nur Zeit- und Kaffeeverschwendung, dieser Empfehlung zu folgen.
    "Dazu kommt das man blonding wie du es beschreibst wirklich genau bewerten können muss."

    Muß man nicht! Kurz hinter meinem Perger-Beitrag habe ich geschrieben:

    "es kommt nicht darauf an, daß man den "blonding point" genau erwischt. Es reicht schon, wenn man feststellt, daß der Ausfluß ganz blond geworden ist. Andernfalls hat man nicht vollständig extrahiert. Das zu erkennen, ist auch für Einsteiger keine große Kunst.
    Bezieht man dadurch etwas zu lange, dann ist das nicht weiter schlimm. Es hat nämlich
    auf den Geschmack keinen nennenswerten Einfluß, weil die Konzentration der gelösten Stoffe inzwischen sehr gering ist und die helle Flüssigkeit nur noch leicht bitter schmeckt. Das Ergebnis wird nur etwas verdünnt, was man im nächsten Bezug leicht ändern kann. indem man etwas früher stoppt."
     
    mYLaiF und der kleine Muck gefällt das.
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Grundsatzfrage: "Rezeptfindung"

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