Mein Kaffee Trollt! Frucht plötzlich komplett verschwunden?

Hi Zusammen,

ich richte meine Frage heute in einer Situation höchster Not an euch …

… naja, ok, ganz so schlimm ist’s nicht, aber schon schlimm: Ich Trinke seit Jahren primär sehr helle Filterkaffees, und ab und an mal einen Espresso. Ich fummle eigentlich viel mit Brührezepten, Wasser, Techniken, usw. herum, und … der ein oder andere wird sich (hoffentlich gut!) an die Brührezepte der Brightroasts bei GoodKarma erinnern — die kamen immer von mir.

Seit etwa 3 Wochen schaffe ich es jedoch auf Teufel-komm-raus nicht mehr einen Kaffee zu machen, der auch nur die kleinste Annäherung an Fruchtsäure hat. Süße kommt gut raus, wenn auch meistens eher der "gebackenen" Art, also Honig-ig, überreife Fruchtsüße, Chaff-ig, Keksteigig … aber bei superkrass hellen Kisten!

Mein übliches "Startpunk für Tuning" Rezept ist:
* V60
* 88°C
* 22g ⇒ 300g
* Anonymous Handgrinder auf ~850-900um Main-Mode
* 2:30min bis drawdown
* 25-30sec Bloom mit ~30-40g
* Gießtechnik wie hier: Mittig gießend, niedrig, mit Kaffee am Rand klebend, ein langsamer/langer Pour idealerweise ohne Absetzen, andauernd Kreisend

Jetzt ist natürlich die Frage: Was hat sich vor 3 Wochen geändert. Das hab' ich mich natürlich auch schon zigmal gefragt, und es ist:
* Brita Purity C Quell ST nach ~1 Jahr ausgetauscht. Den letzten hatte ich vor ~3 Monaten von 30% auf 10% Verschnitt runterstellen müssen, um noch die letzten paar hundert Liter in gewohnter Härte rauszubekommen. Jetzt habe ich einen frischen drin, gut gespült, vermessen, und zwischen 10% und 40% durchprobiert
* Neues Päckle Hario Filter (Japan #2, also die japanischen mit Lasche im Plastiktütchen)
* Letztes Päckchen "bekannter" Kaffee aus dem Tiefkühler weggetrunken (… und der GKC Rocko ist jetzt eine neue Fuhre ⇒ Keine Vergleichbarkeit für mich mehr)

Welche Kaffees sind betroffen? Da hätte ich z.B.:
* GKC: Rocko Bright (der neue), Winter Jam, Alle 3 Weihnachtskaffees
* Bonanza: Tessema Edima, Caballero Natural
* Schön: Bildimoo Chelelektu, La Cristalina (Wenn auch etwas zu frisch, erst 4 Tage seit Röstung)
Damit glaub' ich ausschließen zu können, dass einer der Röster Konsistenzschwankungen hatte, oder ein einzelner Kaffee mal nix' ist …

Was habe ich denn seitdem probiert? Echt viel! Unter anderem:
* Mühlenwechsel: Ich habe noch eine DF mit SSP-MPs hier, die mich bisher für Filter wenig überzeugen konnte. Nach viel hin- und her habe ich herausgefunden gesagt bekommen, dass man mit den MPs wegen der Schnittgeometrie und dem kürzeren Mahlpfad deutlich feiner Mahlen muss, und damit auch in die Gefilde der Brühtechniken mit höherer Extrakion kommt. Nach viel Kaffeeverschwendung habe ich rausbekommen, dass damit auch auf super-schlammig-fast-espresso mit ~99°C, 15:300 und schnellem Singlepour mit Rühren auch was anständiges zu machen ist. Aber auch hier: Keine Frucht. Eine XeoLeo mit GhostBurrs hatte ich mir kurz vor dem Problemstart noch angelacht, mit der hatte ich auf "BurrRub" auch schon echt gute Brühungen — aber auch mit der ist mit Mahlgraden von knapp feiner als BurrRub bis zu "Das sind keine Boulders mehr, das sind Hinkelsteine"-Mahlgrad (~1500um oder gröber? Nicht gemessen …) nix zu machen
* Mahlgrad: Habe mich dann auf die "Seit Jahren immer Super"-Anonymous zurückbesonnen, und auch hier Mahlgrade hoch- und runterprobiert: Richtung fein laufe ich erwartungsgemäß irgendwann in bitterlich-überextrahierte adstringgens rein, in Richtung gröber irgendwann in wässrige "Backig-Süßlich-keit". Soweit so gut … nur ist eben mittendrin wo’s eigentlich passt die Fruchtsäure verschollen.
* Temperatur: Natürlich gecheckt, mein Kocher spinnt nicht, und der Thermapen bestätigt. Natürlich auch von 85°C bis Kochend (so das halt geht) herumprobiert.
* Brührezepte: "Mein" Mittenbrühen, Tetsuyas 4:6 (voll richtung Frucht), Hoffman, Tales Singlepour, die "einfache" April Gießmethode … vieles durch, in vielen Mahlgraden und Temperaturen (Hoffman z.B. eher wärmer/feiner), und: Eigentlich sollte ich da ja eher Nuancen feintunen können. Aber: Nirgends eine Tasse die auch nun Ansatzweise Spaß gemacht hat.
* Filter/Halter: Nur wenig probiert, aber 2-3 Versuche im Origami mit Kalita-Papier hat das Geschmacksprofil bestätigt
* Cupping: Also Filter mal ganz weg, und gecuppt (mit Xeo gemahlen): Das war Lustig, weil 2 der Kaffees ansatzweise Frucht gezeigt haben (GKCs Dukamo und Gesha), aber auch nur gaaanz zart, und erst bei komplett kalt. Der Rest war Backig-Mehlig-Süß wie im Filter
* Also … Wasser, oder?: Brita in 5% Schritten von 10% auf 30% gedreht, immer gemessen. Also zwischen 2.5°dGH / ~1.5-2°dKH auf 8°dGH / ~3.5-4°dKH. Kein Unterschied (… in der Fruchtsäure). Naja gut, vllt stimmt ja was anderes nicht: 8l Volvic geholt. Ergebnis? Der gleiche Scheiß! Also mal 3rd Wave Wasser gemischt, und zwar "Holy Water" mit 0.19g Soda und 0.76g Epsom in 5l "VDE-destilliertem" Wasser. Damit kam genau einmal(!) mit einem WushWush reiner Zitronensaft raus, ohne dass ich etwas an der Technik gemacht hätte. Ein Tag später: Gleicher Kaffee, gleiches Wasser: Reformhaus-Haferkeks-Aroma.

Leute … ich bin durch. Absolut. Ich weiß nimmer weiter. Was kann ich denn noch machen? Das beste was mir einfällt ist allen Kaffee einfrieren, 2 Monate Pause, und dann schauen ob was besser ist ….

Ich bin echt für alle Sachdienlichen Hinweise und Ideen dankbar. Ich … würde echt gern mal wieder einen Kaffee trinken der Spaß macht …

Grüßle & Danke schonmal,
-Dario

 

Hi,

und danke schonmal für eure Ideen. Gesundheitlich ist meines Wissens nach alles in Ordnung — ein bissl Stress (hat vmtl gerade jeder), und minimales(!) Nasenlaufen (eher keine Erkältung, eher wegen trockener Luft) hätte ich zu bieten.

Den Filter grundsätzlich kann ich ausschließen — der steht genau so eingestellt auch in der Rösterei, und ich habe auch schon seit Jahren das gleiche Modell daheim … geschmacklich immer Problemlos.

Zitrusfrüchte (Limette im Drink, Orangensaft pur und im Punsch, …) sind für mich unauffällig "wie immer". Jetzt habe ich mich gerade noch erinnert dass ich im Sommer ein paar frische gemischte Beeren eingefroren hatte … die tauen als Testobjekte gerade auf. Mal sehen was bei der Verkostung herauskommt …

COVID ist mir natürlich auch in den Sinn gekommen. Ich habe mich sehr früh, schon im März impfen lassen können, und war bis gerade eben der Ansicht, dass das bei einer asymptomatischen Infektion (und die müsste es gewesen sein) nicht-naiver Immunsysteme (aka geimpft) nicht zu dem "üblichen" Besatz der Nerven/Nervenenden, Rückgang der Grauen Substanz, usw. Führen sollte. Leider gibt es spezifisch zu den Geschmacks/Geruchs-Problemen da recht wenig handfestes, das beste was ich finden konnte ist diese etwas "hemdsärmlige" Studie: Archetype of Olfactory and Gustatory Dysfunction in Breakthrough COVID-19 Illness - Indian Journal of Otolaryngology and Head & Neck Surgery … in der 25 HNO-Ärzte, von denen angenommen wird dass sie Bewusst riechen/schmecken können teils geimpft (aber nur 1×?), teils ungeimpft gefragt wurden. Da waren auch die geimpften betroffen, aber lang nicht so schlimm. Zu dem Zeitpunkt zu dem mein Kaffeeproblem losging war ich schon geboostert, und habe insges. 3 verschiedene Vakzine genommen. Ich … glaub nicht so recht dran, muss ich sagen.

Zudem ist mir mit der Impfung ja leider die Möglichkeit einer Antigentestung abhanden gekommen: Meiner Recherche nach bildet die 3te recht viel IgA, zusätzlich zu dem IgG — und selbst wenn nicht, ich habe nur Labore gefunden, die auf IgG im Serum testen, und da ist schon nach einer Impfung eine Infektion nichtmehr von der Impfung zu unterscheiden. Nachschauen kann ich also nicht …

Aber ja — wenn ich keine tolle Idee mehr habe, dann mach ich echt mal Kaffee-Abstinenz wie @Blubb gemeint hat. Zum einen macht’s ja grad kein Spaß, zum anderen kommt dann das Hirn vielleicht auf anders genuge Ideen, dass der Kaffee danach wieder die volle Aromenbreite hat. Und … tolle Tees gibt’s ja allemal (und meine Lieblings-Oolongs sind eh nicht so fruchtig .

Danke schonmal, und Grüßle,
-Dario

 

Hi,

@NoroChips hatte da schon so eine Idee. Ich hab' jetzt nochmal ein wenig getestet. Also:
* Aufgetaute Himbeeren: Quasi keine Säure auf der Zunge, ganz wenig im Mundraum, und erst Richtung Abgang hinten am Kiefergelenk/Gaumen-Region kommt was spritziges an
* Mango: Null Fruchtsäure, nur Süße
* Ascorbinsäure auf die Zunge rubbeln: Auf der Zunge selber nichts, an der "Munddecke" wenig, Kiefergelenk/Gaumen weniger als "ich mich erinnere", aber kontrahiert merklich
* Zitronensaft aus der Flasche: Merkliches bizzeln auf der Zunge, wenig Perzeption, "Munddecke" und Gaumen sagen: jo, Zunge: Nö

Öhm … tja … was mach ich mit den Resultaten jetzt, außer auf jeden Fall erstmal die Kaffees einfrieren, damit sie nicht sinnlos schlecht werden?

 

Hi Zusammen,

und danke weiterhin für Ratschläge und Ideen.

Klar, COVID kann man einfach nicht ausschließen. Das blöde ist — ich hab nochmal Studien&Papers gebuddelt, und die Kombination dass eine (hypothetische) Infektion akut unbemerkt geblieben ist kombiniert mit 3ter Impfung schließt wohl eine spätere retrospektive Diagnose quasi aus. Lasse mich aber gerne eines besseren Belehren wenn jemand was weiß!

@Insider: Das ist aber echt interessant! Sowohl Bekannte als auch die Studien die ich gelesen hab' haben bisher nur von recht binärem Geschmacks/Geruchsverlust gesprochen ("alles weg, Kaffee trinken ist wie angedicktes Wasser"). Wenn’s da bei dir noch Zwischenstufen gab ist’s natürlich doch irgendwie wieder Wahrscheinlicher. Und ja, an der Stelle wäre abwarten.

@NoroChips: Mh … wie würde ich das denn Blind anstellen? Davon abgesehen dass wir gar keine Menschen treffen, zur Zeit — und meine Frau ist nicht so die begnadete Sensorikerin, und die Tochter ist noch nicht alt genug für Früchte . Ich schmecke ja z.B. bei Beeren schonnoch das Beerenaroma (und Hirn sagt dann halt: "Hey, da bizzelt’s nicht, da fehlt die Säure!"), und bei Zitronensaft oder verdünnten reinen Säuren kontrahiert die Kiefermuskulatur, bzw. an Gaumen / "hintere Ecken" vom Mundraum merke ich die Säure schonnoch etwas. Nur halt da wo sie (¿anscheinend?) differenziert aufgelöst werden könnte, auf der Zungenfläche, ist nix. Das macht irgendwie ein Blindtest-Design für mich … schwierig.

Das mit Ärzte suchen ist ja auch wieder doof — da darf man sich ja zur Zeit entscheiden ob einem das "kleine"(?) Zipperlein das Ansteckungs-Risiko von einem Arztbesuch wert ist. Bisher hatte ich alles verschoben/abgesagt was nicht unmittelbar droht dauerhafte Schädigungen zu verursachen (wir sind … sehr seeehr vorsichtig). Jetzt ist halt die Frage was für eine neurologische Ursache da dahinter stecken könnte, wenn’s denn eine ist, die irgendwie gefährlich sein könnte. Mh — vielleicht probier' ich zum Ursachen-Spektrum ausloten mal diese Videosprechstunden von der Krankenkasse aus, um eine Meinung zu bekommen ob ich da hinterhersteigen sollte oder nicht ist das ja vielleicht ausreichend ….

Anyways — für den Moment bin ich mal auf dunkle Röstungen als Espresso umgestiegen. Das ist (für mich) zwar ein wenig Eindimensional, aber immerhin machen schön süße nussige Kaffees ja auch mal Spaß. Es ist nicht alles Verloren!

Danke für eure Ideen — und — ich halt' euch auf’m Laufenden ^_^.
Grüßle