[Vorstellung] Quijote Kollektiv. Was ist das eigentlich?

Diskutiere Quijote Kollektiv. Was ist das eigentlich? im Gewerbliche Vorstellungen Forum im Bereich Schwarzes Brett; Viele fragen uns, was wir denn mit "Kollektiv" meinen, wenn wir unsere Struktur beschreiben. Wir haben das mal zusammengefasst. Alle verdienen...

  1. pingo

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    Viele fragen uns, was wir denn mit "Kollektiv" meinen, wenn wir unsere Struktur beschreiben. Wir haben das mal zusammengefasst.

    Alle verdienen das gleiche, alle entscheiden alles gemeinsam und es gibt wirklich keinen Chef? Kann das denn funktionieren?


    Wir bei Quijote verstehen uns als Kollektiv. Kollektive unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht grundlegend von kapitalistisch funktionierenden Unternehmen. Hier möchten wir die wesentlichen Merkmale unseres kollektiven Selbstverständnisses erläutern:

    Solidarische Ökonomie

    Auch wenn wir uns nicht komplett frei von systemischen kapitalistischen Zwängen machen können, versuchen wir doch eine alternative Wirtschaftsweise zu fördern. Im Unterschied zu kapitalistischen Unternehmen, deren vorrangiges Ziele Profit und ökonomisches Wachstum sind, wollen wir mit unserer Arbeit einen Beitrag zur Transformation hin zu einer Solidarischen Ökonomie und Lebensweise leisten. Eine solidarische Ökonomie orientiert sich gerade nicht an den „Regeln des Marktes“, sondern an den Bedürfnissen der Menschen.

    Darum steht bei uns die Produktion hochwertiger und bedarfsgerechter Produkte unter Beachtung von ökologisch und sozial nachhaltigen Gesichtspunkten im Mittelpunkt. Wir streben außerdem über die betriebswirtschaftlich notwendigen Rücklagen hinaus keine Gewinne an. Fallen darüber hinaus Gewinne an, so müssen diese reinvestiert oder gespendet werden.

    Wir setzen auf Kooperation statt Konkurrenz im Verhältnis zu anderen Kollektiven und ähnlichen Projekten. Auch mit unseren Handelspartner*innen wollen wir auf Augenhöhe solidarisch zusammenarbeiten. Darum betreiben wir mit unseren Partner*innenkooperativen in den Ursprungsländern auch „Direkten Handel“.

    Basisdemokratie

    Genauso wie unsere Partner*innenkooperativen in den Ursprungsländern, die alle ihre Entscheidungen in Vollversammlungen aller organisierten Kleinbäuer*innen oder in demokratisch repräsentativen Räteversammlungen treffen, sind auch wir basisdemokratisch organisiert. Das bedeutet, dass alle Kollektivmitglieder gleichberechtigt zusammenarbeiten. Auf unserer wöchentlichen Vollversammlung (Plenum) treffen wir alle Entscheidungen gemeinsam, im Konsensprinzip. Dies unterscheidet uns auch von Genossenschaften, die neben der Generalversammlung auch einen Vorstand und ab einer bestimmten Größe einen Aufsichtsrat haben. Wir streben danach, so weit wie möglich hierarchiefrei zu arbeiten, Wissen und Fähigkeiten zu teilen und Verantwortungen gemeinsam zu tragen.

    Gleichberechtigung

    Die Gleichberechtigung der Kollektivmitglieder beschränkt sich aber keineswegs nur auf die gemeinsamen Entscheidungen auf dem Plenum und im Arbeitsalltag. So zahlen wir uns auch alle den gleichen Lohn aus. Diesen haben wir in unserem Binnenvertrag auf den hamburgischen Durchschnittslohn im Produzierenden und Dienstleistungsgewerbe limitiert. Unser Miteinander beinhaltet auch immer die Möglichkeit für individuelle und kollektive Lernprozesse. Wir ermöglichen jedem Mitglied regelmäßig Fortbildungen mit den dafür notwendigen zeitlichen und monetären Ressourcen.

    Transparenz

    Wir arbeiten nach innen und auch nach außen in möglichst großer Transparenz. Alle Mitglieder des Kollektivs haben jederzeit das Recht, alle betrieblichen Daten (Dokumente und Dateien) einzusehen. Alle relevanten Informationen (Inhalte des Kollektivvertrages, Produktbestandteile, Rezepturen, Produktionsverfahren, Preisgestaltung, Herkunft, Röstdatum, Kaufverträge, Kalkulation) werden auf unserer Website oder den jeweiligen Packungen offengelegt. Wir achten aber die betriebliche Schweigepflicht bei Beziehungen zu Kund*innen und Vertragspartner*innen.


    Verantwortung

    Kollektives Arbeiten heißt auch immer Verantwortung zu übernehmen, für die Mitglieder des Kollektivs aber auch bei der Kooperation mit Partner*innen. Die Kollektivmitgliedschaft endet nicht am Ende des Arbeitstages. Darum achten wir auch auf das Wohlbefinden unserer Mitglieder abseits der Arbeit für Quijote Kaffee. Dass wir täglich alle zusammen mittags essen gehört dabei ebenso dazu, wie die finanzielle Unterstützung von Kollektivmitgliedern, die neben der Arbeit im Kollektiv auch (familiäre) Care-Arbeit leisten (z.B. Kindererziehung, Pflege von Angehörigen).

    Es ist für uns aber auch eine Selbstverständlichkeit, Verantwortung bei der Zusammenarbeit mit unseren Partner*innenkollektiven in den Ursprungsländern zu übernehmen. Dazu gehört insbesondere die enge, langjährige Zusammenarbeit mit den einzelnen Kooperativen und die Übernahme wirtschaftlicher Risiken, u.a. durch garantierte Mindestpreise und die zinsfreie Finanzierung der Ernte.

    Wir wollen aber auch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen. Darum unterstützen wir Initiativen und Projekte die sich im Sinne unserer Ideale und Werte für eine gerechtere, solidarische und nachhaltige Welt einsetzen durch aktive Beteiligung bei Kampagnen und Veranstaltungen oder Spenden.

    Vernetzung

    Kollektive sind leider noch solidarische Inseln im großen kapitalistischen Meer. Wir möchten einen Beitrag dazu leisten, dass kollektive Organisierung als gesellschaftliche Alternative sichtbar und gestärkt wird. Darum erachten wir auch das Brückenbauen zu anderen Kollektiven durch Vernetzung und Kooperation als wichtiges Ziel unserer Arbeit. Durch Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit wollen wir andere Kollektive und uns stärken und neue Kollektive beim Gründen und Wachsen helfen.
     
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  2. #2 DeKoile, 08.06.2022
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    Ich liebe euch für eure Transparenz und bin auch immer fleißig am werben (habe auch mal für eure Kaffeesolidaritäts-Aktion in unserer Espressobar geworben. Auch wenn ich die Aktion wegen der Cronometro R eigentlich am liebsten selbst durchführen würde, aber im Zweifelsfall freut sich halt einfach der Caterer, der die Bar betreibt :D).

    Aber ihr habt mich auf eine Frage gestoßen, die schon länger in mir gärt:
    Hat es einen Grund, warum ihr den Durchschnittslohn genommen habt, der gerade in Hamburg deutlich über dem Medianlohn liegen dürfte? Mutmaßlich auch im o.g. Gewerbebereich.
    Nicht falsch verstehen: Ich finde eure Löhne absolut fair, gerade weil Hamburg ja auch keine günstige Stadt ist! Ist eine reine Neugierfrage.
     
  3. pingo

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    Moin DeKoile, gute Frage.

    Das Mediangehalt in Hamburg liegt bei ca. 46.800. Wir haben uns auf den Durchschnittslohn im Produzierenden- und Dienstleistungsgewerbe festgelegt, da sie unseren ziemlich vielfältigen Tätigkeitsfeldern ganz gut entsprechen. Wir hatten keine Ahnung wo wir uns einsortieren sollen, das statistische Landesamt gereitet die Zahlen aus diesen oben genannten Bereichen halt auch besser auf als andere Bereiche. Es ist also einfach ein wenig Zufall was wir damals gewählt haben.

    Es war uns halt sehr wichtig, uns überhaupt zu limitieren, da wir selber mit Kolleg*innen befreundet sind, die sich recht hohe 6 stellige Beträge pro Jahr aus ihrer Firma entnehmen. Das wollten wir nicht. Wir wollten den Fokus aus andere Dinge als Gewinnerzielung legen. Und es sollte ein Lohn sein, mit dem wir in Hamburg ein gutes Leben mit einer Familie führen können. Es hilft ja nichts, wenn wir ein Modellunternehmen haben mit dem wir andere Menschen inspirieren wollen, wenn wir uns so niedrige Löhne auszahlen, dass sie nicht attraktiv sind. Der Medianlohn ist definitiv nicht attraktiv....
     
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  4. #4 DeKoile, 09.06.2022
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    Moin pingo,

    meinte tatsächlich den Medianlohn "im Produzierenden und Dienstleistungsgewerbe" und nicht gesamt. Aber alles okay. ;) Danke!
    Die Erklärung stellt mich absolut zufrieden und bestätigt meine Vermutung. Es ging darum, einen für Hamburg fairen Lohn zu finden und ich sagte ja schon, dass ich euren Lohn bei den Hamburger Lebenshaltungskosten absolut fair finde. :)
    Würde mir wünschen, dass dieses Denken in mehreren Bereichen stattfinden würde...
     
  5. pingo

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  6. #6 DeKoile, 09.06.2022
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    Ah, spannend! Aber dass ausgerechnet ein Statistikamt nur den Durchschnitt und nicht den Median veröffentlicht, finde ich "interessant". Wie wenig aussagekräftig bei Finanzen der Durchschnitt ist, sieht man ja auch immer wieder beim durchschnittlichen Vermögen: 2014 hatte jeder Bundesbürger in Deutschland ein durchschnittliches Nettovermögen von 214.500 Euro. Der Median lag deutlich drunter mit 60.400 Euro (Quelle: Wie sind die Vermögen in Deutschland verteilt? - Hans-Böckler-Stiftung).

    Aber wie gesagt: Ich finde eure Gehälter - egal auf welcher Grundlage sie fußen - für Hamburg absolut fair. Würde euch sogar noch mehr gönnen und es immer noch als fair empfinden. ;)
    Und besonders fair empfinde ich auch, dass offenbar auch eine flexible, kurzfristige Anpassung in Notphasen stattfinden kann ("finanzielle Unterstützung von Kollektivmitgliedern, die neben der Arbeit im Kollektiv auch (familiäre) Care-Arbeit leisten").
    Ihr lebt konsequent soziale Gerechtigkeit und das schätze ich!

    Wollt ihr keine Partei gründen?
    Deutsche Quijote-Partei (DQP) - "wir kämpfen gegen Windmühlen"
    Meine Stimme hättet ihr :D
     
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  7. #7 Marshall6, 09.06.2022
    Marshall6

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    Hallo @pingo ,
    Ich hoffe meine Frage passt hierher:

    Wie ist eure Meinung zu gesegeltem Rohkaffee?
    Das sind ja recht kleine Mengen die da bewegt werden, ich könnte mir aber eine Sonderedition „Sailing Harvey“ o.ä. gut vorstellen..
     
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  8. pingo

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    Unsere Meinung ist, dass das ein guter Impuls für die Branche ist. Er hilft dabei Probleme zu thematisieren.
    Wir fokussieren uns allerdings auf angemessene Preise für den Rohkaffee. Wir zahlen durchschnittlich dieses Jahr 3,70 Dollar pro Pfund an die Produzent*innen.
    Es ist unserer Meinung nach nicht angemessen, wenn für den Transport ähnlich hohe Summen bezahlt werden müssen (wenn man die Leute auf den Segelschiffen korrewkt bezahlen würde) oder nochmal die Hälfte drauf auf den Rohkaffeepreis (wenn man wie üblich die Leute auf den Segelschiffen nicht bezahlt sondern sie noch zahlen lässt...).
    Dringendstes Problem unserer Branche ist unserer Meinung nach ganz klar, angemessene Preise für den Rohkaffee zu zahlen.
     
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  9. #9 punkter, 26.06.2022
    punkter

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    Hallo Pingo,
    wenn Du schreibst "gemeinsam Verantwortung tragen", wie ist das bei euch als OHG geregelt? Gesamtschuldnerisch ohne begrenzte Haftung? Müssen bzw. mussten sich die Kollektivisten/Gesellschafter einkaufen? Hat trotzdem einer "die Mütze auf"? Warum habt ihr euch für speziell für diese Rechtsform entschieden?

    Herzliche Grüße, punkter
     
  10. pingo

    pingo Mitglied

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    Moin,
    wir haben uns gerade aus pragmatischen Gründen in eine GmbH umgewandelt.
    Es musste sich niemand einkaufen, alle unterschreiben den Binnenvertrag, der alle internen Beziehungen regelt. Haftung wird ebenfalls intern per Vertrag geregelt. Niemand hat die Mütze auf, die OHG (davor GbR) war einfach zu gründen, ist nun aber bei 5 Millionen Jahresumsatz "veraltet".

    Liebe Grüße, pingo
     
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  11. #11 Marshall6, 28.06.2022
    Marshall6

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    Hallo @pingo ,

    Nachdem ich das Thema hier nicht gefunden habe, sondern nur über euren Newsletter:
    Aktuell gibt es bei Quijote einen Reisebericht aus Ecuador, der sich wie ein Abenteuerroman liest und sehr informativ ist:
    Ecuador 2022

    Ich finde das MUSS hier im Forum aktiv verbreitet werden!
    (Nicht als Werbeaktion, sonder weil die Situation in Ecuador in deutschen Medien nicht vorkommt. )

    Vielen Dank @pingo dafür!
     
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Quijote Kollektiv. Was ist das eigentlich?

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