Wie die Jungfrau zum Kind ... oder wie aus einer Schnapsidee ein edler Tropfen wurde

Eigentlich wollte ich nur eine alte defekte aber wunderschöne Kaffeemaschine (Elektra Micro Casa a leva) als Dekoration für unsere Essecke ersteigern. In meiner Unkenntnis bot ich nicht allzu viel, da ich sie ja für unbrauchbar hielt und habe sie auch prompt ... nicht bekommen. Ich wunderte mich noch, was heutzutage für eine kaputte Maschine bezahlt wird.


Jetzt erst wo sie weg war, merkte ich, wie sehr ich mich schon an ihren "Anblick" gewöhnt hatte.
Also begann ich nach Ersatz zu suchen und es dauerte nicht lange, da sah ich sie:

eine La Pavoni mit umwerfender Figur, eine "funktionstüchtige und sehr gut erhaltene" Professional.



Oh, là, là, eine funktionierende Professionelle, das kann teuer werden, dachte ich. Plötzlich erschien sie mir in einem ganz anderem Licht. Vielleicht könnte ich mit ihr sogar einen Espresso machen, der seinen Namen verdiente. Bisher kannte ich hausgemachten nur von einer Jura und später dann von einer Saeco Aroma mit Solis-Mühle. Ich hatte mich selbst nicht damit beschäftigt, wußte aber, daß ich schon viel bessere Espressi aushäusig getrunken hatte.


Und so begann ich, auf die Pavoni zu bieten und mich in der Zwischenzeit schon mal mit ihresgleichen vertraut zu machen.
Dabei verfing ich mich im Kaffee-Netz. Gefesselt von Tara und ihrem heldenhaften Kampf um
die Tin Lizzy ("la pavoni mignon - anfängerfragen") wußte ich plötzlich: die mußt Du erobern und dann ebenfalls besiegen.

Sie kam, ich sah sie und ... sie siegte.
Sie war jung (Jahrgang ´93), wunderschön, sehr gepflegt, und wider Erwarten eine richtige Dame.
Aber vor allen Dingen war sie sehr raffiniert.
Die ersten Bezüge waren so betörend, daß sie mir das Gefühl gab, ich sei der Größte.
Ich nannte sie zärtlich Violetta und versprach ihr auf der Stelle die Treue in guten und bösen Tagen, sie immer zu lieben, achten und ehren...
Am Anfang war das auch gar nicht schwer - ich war ja noch trunken vor Glück.
Aber mit der Zeit offenbarte sie ihre Kapriziosen und die bösen Tage häuften sich.
An mir konnte es nicht liegen, ich liebte sie ja und gab mir alle Mühe. Und so war die Schuld schnell zugewiesen: es war die Solis-Kaffeemühle, sie war einfach zu bieder für sie.
Um es kurz zu machen, sie bekam eine passende Mühle (das ist wieder eine andere Geschichte) und gab kurzzeitig Ruhe.
Aber bald begann sie wieder zu nörgeln, ja sie behauptete sogar, daß ich sie nicht verstünde. Das war die Höhe, ich war empört weil..., ja weil sie eigentlich recht hatte: man muß nicht nur wollen sondern auch können und wer nicht kann was er will, muß das wollen was er kann (sagte mal mein seliger Freund Leonardo) und das wollte ich natürlich nicht.
Zum Können gehört aber Wissen und ich wußte eigentlich nichts, nichts über sie und schon gar nichts darüber, wie sie aus Kaffeepulver Espresso machte.


Ich versprach Besserung und tauchte diesmal tief in´s Kaffee-Netz, schaute öfters bei Home-Barista vorbei, las alles, was ich finden konnte und probierte, studierte, probierte, studierte ...
Sie war offensichtlich wieder mit mir zufrieden und half mir mit Lob und Tadel, am Anfang mehr Tadel, später öfters auch Lob.


Inzwischen bin ich froh, daß ich mich für eine Professionelle entschieden habe, sie hat einfach mehr drauf - pardon - mehr drin.
Übrigens sprachen wir nie über ihre Vergangenheit.


Jetzt nach 1000 Bezügen verstehen wir einander, sind sehr zufrieden, ja manchmal sogar glücklich, wenn uns ein besonders guter Tropfen gelungen ist. So wie heute: ein wahrhaft göttlicher Dante von Quijote führte uns in´s Paradies.


So ist also aus der Idee, eine alte Kaffeemaschine als Dekoration zu mißbrauchen, eine tiefe deliziöse Zuneigung geworden.


Das alles verdanke ich neben Violetta auch meiner leidgeprüften Testerin und toleranten Hauptfrau Tina, aber vor allen Dingen den Menschen im Kaffee-Netz, die sich mit Kaffee beschäftigen und ihre Zeit und ihr Wissen zur Verfügung stellen, um Anfängern wie mir zu helfen.
Dafür möchte ich gerne hier mithelfen, wenn ich guten Glaubens etwas Sinnvolles sagen kann.


Herzlichen Dank
Ganzo


P.S. Warum ich bis heute hier nichts geschrieben habe, hat zwei Gründe:
erstens ließen sich alle meine Fragen durch Suchen und Lesen beantworten und ich konnte auch
bisher nicht mitreden;

zweitens muß ich immer erst meine Schreibhemmung überwinden. Das kann manchmal dauern, besonders wenn es der erste Beitrag überhaupt in einem Forum ist.

 

AW: Wie die Jungfrau zum Kind ... oder wie aus einer Schnapsidee ein edler Tropfen wu

@wolfzell
Danke für Deinen aufmunternden Kommentar zu meinem ersten Gehversuch hier!

 

AW: Wie die Jungfrau zum Kind ... oder wie aus einer Schnapsidee ein edler Tropfen wu

@cup29 & mat76 & norschtein


Danke für Euer Willkommen und die guten Wünsche. Es freut mich, daß der Bericht Euch gefallen hat. Das macht mir Mut für weitere.


Stephen, Dich muß ich ganz knapp verpaßt haben, denn ich bin eine passionierte Nachteule.


:-D Ganzo :-D

 

AW: Wie die Jungfrau zum Kind ... oder wie aus einer Schnapsidee ein edler Tropfen wu

Eine Freude, Eure Kommentare zu lesen.

Vielen Dank und gute Nacht

 

AW: Wie die Jungfrau zum Kind ... oder wie aus einer Schnapsidee ein edler Tropfen wu

Alle Achtung, daß Du Dich trotz der massiven Warnungen für die Pavoni entschieden hast. Das war sicher viel schwerer als bei mir. Ich habe vorher nicht gefragt, war nur von Taras Erlebnissen so fasziniert, daß ich sie unbedingt haben wollte (die Pavoni).

Heute würde ich sie für nichts auf der Welt (klingt toll, oder?) gegen eine andere tauschen. Es gefällt mir, daß ich praktisch alles beeinflussen und viel ausprobieren kann. Ich mache allerdings nur zwei bis vier Espressi pro Tag.


Was gibt es besseres als eine, die gut aussieht, schnell heiß wird, dabei nicht zu laut ist und immer voller Überraschungen steckt.



Danke, so ein Lob tut immer wieder gut.