Wie lange muss Kaffee nach der Röstung ruhen?

Das hängt von der Röstung, Aufbereitung und Varietät ab, wann sie den geschmacklichen Höhepunkt haben. Grundsätzlich werden die Röstereien für ihre Bohnen schon die richtigen Tipps geben.
Bei dunkel bis medium gerösteten Bohnen ist die Faustregel ein bis zwei Wochen - ab Röstung, nicht ab gestern.

 

Hi,
Auch wenn ein Datum aufgedruckt ist, ist das nicht zwangsläufig das Röstdatum, sondern kann auch das Abfülldatum sein.
Es kommt darauf an, wie lange der Röster selbst den Kaffee nach dem Rösten ausgasen läßt, zum Beispiel in Kisten oder Silos.
Ich habe jetzt schon zwei mal nachgefragt, mit unterschiedlicher Antwort. So läßt der eine den Kaffee 15 Tage im Silo, der andere verkauft immer trinkreif, je nach Sorte. Andere packen den Kaffee wiederum nach zwei bis drei Tagen schon ab.
Nachfragen ist das beste und dann selbst beobachten. Ich habe auch schon eigene Erfahrungen gemacht, die sich nicht unbedingt mit den Angaben des Rösters decken.
Robustamischungen oder Malabar oder Malabarmischungen vertragen oft gut sogar vier Wochen. Manche Singleorigins lassen schon nach 14 Tagen nach und haben ihren Peak viel früher.
Am besten also die Lieblingssorte mal beobachten, wie sie sich entwickelt. Ist ein wirklich spannendes Thema.
lg,
Kenny

 

Hallo @Berlix,

die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass bei Kaffee zunächst die CO2-Moleküle entweichen. Danach nehmen die aromatischen und geschmackstragenden chemischen Stoffe mit zunehmendem Alter ab und zwar entsprechend ihrer Löslichkeit bei der Extraktion.

Die leicht löslichen Stoffe nehmen also schneller ab, die weniger löslichen langsamer und die sehr schwer löslichen praktisch gar nicht. Später kommt dann noch die Oxidation dazu, die, wenn sie nicht durch gute Aufbewahrung verhindert wird, den Geschmack verschlechtert.

Die leicht löslichen Geschmacksträger sind die mit floralen und fruchtigen (auch fruchtsauren und fruchtbitteren) Noten.
Die mittleren sind die holzigen und malzigen und die schwereren sind die rauchigen, würzigen Noten.
Die schwersten sind die süßen (caramels) und schokoladigen Noten. Sie scheinen sehr stabil zu sein.

Wie Kaffee sich nach dem Rösten verhält, hängt daher sehr stark vom Röstgrad ab.
Alle Kaffees schmecken zunächst unangenehm, wenn sie direkt aus dem Röster kommen. Sie brauchen eine mehr oder weniger lange Erholungsphase, bevor sie trinkreif sind.
Nach etwa 8 bis 24 Stunden entfalten sie ihre größte Vielfalt an guten aber auch schlechten Aromen und Geschmacksstoffen. Danach setzt schon der Abbau dieser Stoffe ein.

Hell geröstete Kaffees mit vielen floralen und fruchtigen Noten schmecken dann sehr schnell gut, erzeugen aber eine überbordende schaumige Crema, weil sie noch zu viel CO2 enthalten.
Man kann also 1 bis 2 Tage warten, bis sich die Crema normalisiert hat und nimmt dabei einen geringen Geschmacksverlust in Kauf oder man bezieht mit einem bodenlosen Siebträger in eine größere Tasse und genießt das volle Aroma.

Dunkel geröstete Kaffees schmecken zunächst übertrieben aggressiv, z.B. nach Kiefer-, Kampfer-, Terpentin- und Röstaromen, bevor sie nach 4 bis 6 Tagen Reife drastisch besser werden. Da bei ihnen die leicht löslichen floralen und fruchtigen Noten weggeröstet sind, verlieren sie dann kaum noch etwas von ihrem Geschmack und können deshalb über mehrere Wochen ohne merkliche Abstriche verwendet werden.
Sie sollten also unbedingt erst nach genügender Reifezeit getrunken werden.

Wann ein Kaffee am besten schmeckt hängt auch davon ab, welche Geschmacksbalance jeder Einzelne für einen bestimmten Kaffee mit bestimmtem Röstgrad bevorzugt.
Man kann also keine allgemein gültige Aussage über die Reifezeit und die Haltbarkeit eines Kaffees machen.

Man kann aber sagen, dass die meisten Kaffees mit dem Alter an Säure verlieren und zum Ausgleich dafür gröber gemahlen, höher dosiert und/oder kühler extrahiert werden müssen.

Gruß Ganzo

 

Kann das so ins Kaffeewiki?

 

Siehe hier eine wissenschaftliche Studie

 

Die Studie gibt keinerlei Auskunft, wie lange die Bohnen ausgasen sollen, selbst wenn der Röster, dies in seinem Post anders behauptet hat. In der Studie gibt es nur allgemeine Aussagen wie z.B. dass dunkle Röstungen schneller ausgasen als helle,

 

Tolle Studie, vielen Dank!

 

@Ganzo Wow, so detailliert und gut begründet habe ich das noch nirgends gelesen, dankeschön! Du beziehst dich aber ausschliesslich auf Espresso, ist das richtig?
Habe auch schon bei Röstereien nachgefragt und unterschiedliche Antworten erhalten. Bis hin zu: Ausprobieren, was einem am besten schmeckt...

Quijote gibt zu jeder Sorte eigens Empfehlungen, die auf der Packung stehen.
Anfügen möchte ich: Espresso muss länger ausgasen, weil das CO2 im Siebträger nirgends hin kann, während man Filterkaffee auch schon nach ein paar Tagen öffnen kann, es blubbert dann halt etwas mehr. Und dann kommt es noch auf die Verarbeitung der Bohnen an: Meine Faustregel: gewaschen öffne ich 1 - 3 Wochen nach Röstdatum, Naturals nach 3 - 4 Wochen.

Mario von der Tegernseer Rösterei schrieb Folgendes, will ich euch nicht vorenthalten:

Wenn wir beim Cup of Excellence Kaffees verkosten, machen wir das z.T. 8 Stunden nach der Röstung. Hier scheiden sich die Philosophien. Meiner Meinung nach kann ein Kaffee nie zu frisch sein. Klar entgast er noch und wird nach einer gewissen Zeit runder und homogener im Geschmack. Aber wann dieser Zeitpunkt gekommen ist, entscheiden SIE ganz alleine. Fragen Sie mich gerne immer nach dem genauen Rösttag. Ich sage Ihnen diesen immer gerne. Und jetzt: verkosten Sie die Kaffees, wieder und wieder. Und definieren Sie für sich den perfekten Zeitpunkt. Hören Sie nicht auf alles, was „andere“ Ihnen empfehlen. Es wird so viel „erzählt“ und es gibt so viele sog. „Experten“. Lass Sie Ihre Geschmacksknospen entscheiden.

und:

...es hängt massiv von der Zubereitungsart ab. Der isländische Brewers Cup Meister hat seinen „Hunkute“ aus Sidamo auf einem IKAWA Probenröster am Abend vor dem Finale geröstet. Der war keine 12 Stunden „alt“. ;-)

 

Hallo @omega3,

danke für Deinen Hinweis auf Brühkaffee.

Zwar ist der Prozess des Alterns bei Bohnen für Brühkaffee bzw. Espresso gleich, aber es gibt Unterschiede, wann was getrunken werden kann.
Dabei spielt neben dem Ausgasen (ca. 3-4 Tage) vor allem die unterschiedliche Konzentration beider Getränke eine wesentliche Rolle.

Ein Brühkaffee ist nämlich etwa zehn mal schwächer konzentriert* als ein Espresso mit der Folge, dass die unangenehmen Geschmacksbestandteile hier weniger stark zum Tragen kommen.

* ungefähre "Wasser zu Kaffee" - Rate: Brühkaffee 15:1, Espresso 1.5:1​

Deshalb kann man einen Brühkaffee schon früher trinken als einen Espresso.
Das erklärt auch diese Aussage:

"Wenn wir beim Cup of Excellence Kaffees verkosten, machen wir das z.T. 8 Stunden nach der Röstung".​

denn Coffee Cuppers trinken in der Regel Brühkaffee.

Mit Hilfe Deines Hinweises fasse ich jetzt als grobe Richtwerte zusammen:

heller geröstete Bohnen sind schneller trinkbar, aber sie altern auch schneller,

dunkler geröstete Bohnen müssen länger reifen und sind dafür auch länger trinkbar,

als Brühkaffee kann man Bohnen eher trinken denn als Espresso,

Empfehlungen der Röster sind Anhaltspunkte - aber der eigene Geschmack ist entscheidend,

man kann das Ausgasen beenden, wenn man die gemahlenen Bohnen ca. 15-30min stehen lässt,

die meisten Kaffees verlieren mit dem Alter an Säure und sollten zum Ausgleich dafür gröber gemahlen, höher dosiert und/oder kühler extrahiert werden.​

Gruß Ganzo

 

Guten Tag zusammen,

leider scheint mir ein echter Fail untergelaufen zu sein. Ich habe mir hier im Ausland von einen Bekannten Röster Gesha Kaffee (México) gekauft. Wunderte mich eh, weshalb er mir Rabatt gegeben hat. Heute sehe ich, Röstdatum beinahe 6 Monate her ….

Wurde ich eurer Meinung nach übers Ohr gehauen oder ist es denkbar, dass die Bohnen 6 Monate nach Röstdatum noch halbwegs genießbar sind?

 

Probieren.
Wenn er sich einstellen lässt, warum nicht. Je dunkler die Röstung, desto eher ist die Möglichkeit, dass es noch halbwegs klappen kann. Viel Erfolgschancen hat es aber meiner Meinung nach nicht.

 

das ist denkbar und wahrscheinlich. Ihren Zenit dürften sie aber deutlich überschritten haben und mehr Richtung „halbwegs genießbar“ tendieren als in Richtung wirklich gut.
Willst Du brühen oder per Siebträger beziehen? Letzteres könnte schon etwas schwierig abzustimmen sein.

 

Es ist eine mittlere bis helle Röstung … ich wäre eigentlich auf der Espresso Seite. Nie kaufe ich kaffee ohne auf das Röstdatum zu sehen. Weshalb ich das gestern nicht getan habe, ist mir ein Rätsel. Anbei ein Bild der Packung.

 

„Best before 2023“ dürfte ja lediglich eine Alibi Angabe sein ?

 

Erstens hast du das Datum verkrüppelt und
Zweitens siehe hier.

 

… und drittens ist mir der Unterschied zwischen best before und use by date klar, weswegen ich von einer 1 jährigen best before Frist noch immer nicht überzeugt bin aber danke für den Input

 

Wenn dir ohnedies alles klar ist, was soll denn ein Außenstehender noch dazu sagen bzw. raten?
Übers Ohr gehauen schaut zumindest bei mir anders aus ...

 

Ein Außenstehender mit Expertise kann womöglich beurteilen, ob Bohnen ihren Sweatspot bei > 6 Monate nach Röstdatum haben können … oder jedenfalls noch genießbar sein können…. Hab nun ne Antwort von nem ehemaligen Cupping Meister (GER): grundsätzlich SEHR schwierig (Abstand Röstdatum), genannter kaffee ist aber schon länger COE #1 in México, daher trotz > 6 Monate ausnahmsweise wenig bedenken.