Frage an die gewerbl. Profiröster- Was ich schon immer mal wissen wollte über "Fair Trade"

Diskutiere Frage an die gewerbl. Profiröster- Was ich schon immer mal wissen wollte über "Fair Trade" im Bohnen und Kaffee Forum im Bereich Rund um die Bohne; Industrielle Röstung klingt nach hoher Temperatur und kurzer Röstdauer. Du meinst wahrscheinlich wegen der Menge? Beworben wird er zumindest mit...

  1. #21 domimü, 05.10.2014
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    Industrielle Röstung klingt nach hoher Temperatur und kurzer Röstdauer. Du meinst wahrscheinlich wegen der Menge?
    Beworben wird er zumindest mit
     
  2. pingo

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    Ich möchte da nichts unterstellen. Der Partner von El Puente, die Rösterei Niehoff bietet verschiedene Röstverfahren an.
    Wenn ich hier in Hamburgs Vorort Kaltenkirchen die vergleichbare Rösterei Meyer & Horn (neben Niehoff der zweite Partner der meisten seriösen fairtrade Importeure) anschaue werden dort meiner Schätzung nach 99 % der fairtrade Kaffees schonend Langzeit 7-8 Minuten mit Heißluft geröstet. Was ein schonendes Langzeitröstverfahren ist, ist ja auch nicht festgeschrieben. 8 Minuten sind bekömmlicher und schonender als 2 Minuten was technisch ja theoretisch auch denkbar ist.
    Ich persönlich bin ein echter Freund dieser Art der Röstung wenn die Kundschaft sowieso vorgemahlenen Kaffee aus Vakuum- oder stickstoffbegasten Beuteln kauft.
    Sie ist energiesparend gegenüber der Trommelröstung und auch viel preisgünstiger, für Filterkaffees müssen die Resultate solcher Röstungen auch absolut nicht schlecht sein, ich habe einige gute Kaffees aus solchen Röstungen probiert und war ziemlich zufrieden (nicht vorghemahlen ;-) ).
    Was eine natürliche Trocknung ist habe ich nicht ganz verstanden.
     
  3. Karal

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    Die ganze Diskussion habe ich nicht gefolgt. Den Vergleich - Fair Trade vs Direct Trade finde ich im folgendem Diagramm übersichtlich dargestellt.
    [​IMG]
     
  4. #24 domimü, 05.10.2014
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    Tja, jeder versteht unter direct trade was anderes. Pingos Modell liefe bei deinem Schaubild unter Fair Trade, ist es doch der Kauf von der Kooperative.
     
  5. #25 mo_redcode, 06.10.2014
    Zuletzt bearbeitet: 06.10.2014
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    Wahrscheinlich meinen die damit, dass es sich um Trocken- oder Pulped Natural Aufbereiteten Kaffee handelt.

    Die Bild Zeitung für ''Intellektuelle'' ( Der Spiegel) hat ja heute auch einen Artikel inne, mit dem Aufreisser Titel ''Unfaire Geschäfte'', wo mal wieder die tolle Verbraucherzentrale Hamburg nur positiv auf sich aufmerksam macht.

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/vi...l-a-995302.html#js-article-comments-box-pager
    https://magazin.spiegel.de/digital/index_SP.html#SP/2014/41/129568343

    Ich hoffe, dass das hier nicht als Werbung interpretiert wird, ich bin kein allzu großer Freund dieser Redaktion !!

    Also wird man mit Direct Trade/ Fair Trade Kaffee nicht die Welt retten können, mit Kaffeemindestpreisen ändert sich also auch nicht viel, da anscheinend nur mehr zum Umverteilen für Wenige/Mächtige ist. Wie in so ziemlich alle anderen Bereichen in der Welt auch so.

    Also was ist dann der Richtige Umgang in der Welt des Kaffees? Höhere Preise NUR für eine höhere Qualität? Gutmenschentum durch Spenden und karitative Zwecke fördern/ ausleben ? Oder wie manche behaupten, den/die besten Kaffees der Welt dadurch anbieten zu können das man alles durch Direct Fair Trade/ Spenden an Projekte anbieten zu können ( ( hohe Kaffeequalität(Äthiopien)/ Trommelröstverfahren + gutes Gewissen)?
    Ich kann schon Menschen verstehen, denen das zuviel (Marketing) oder aufgesetzt wirkt......

    Grüße

    Röstero
     
  6. Gioia

    Gioia Gast

  7. #27 nobbi-4711, 06.10.2014
    nobbi-4711

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    Aufgesetzt wirkt es nicht zuletzt dadurch, dass Kleine es einfach machen, während die Großen ihnen zuschauen und dann blitzschnell die werbewirksamsten Attribute assimilieren, ohne freilich die ursprünglich damit beabsichtigte Qualität zu liefern. Siehe die aktuellen TV-Spots von Tchibo und Melitta, wo die älteren Herren in Hemd und Pulli am 20kg Röster die "Barista-Mischungen" herstellen...bei einem Großröster-üblichen Output, und falls da wirklich ältere Herren an 20kg Röstern stehen sollten, brauchen wir uns über Arbeitslosigkeit im Alter wohl keine Gedanken mehr machen...

    Wenn ich Parallelen zum fränkischen Weinbau ziehen sollte, der über Jahrzehnte hinweg den Wein zuteilen konnte, und dann aufgrund zunehmender Globalisierung in den 80ern und 90ern eine lange Durststrecke zurückzulegen hatte, dann würde ich sagen, dass der Erzeuger nur dann eine Chance hat, vernünftige Preise zu erzielen, wenn er unbedingte Qualität abliefert. Das ist keine Sache von heut auf morgen, und erfordert den Einsatzwillen des Bauern/der Cooperative, auch wenn er momentan durch Fairtrade ein bissl was mehr bekommt. Irgendwann zahlt es sich aber aus, und er kann sich vom Weltmarktpreis unabhängig machen. Die guten fränkischen Winzer muss es nicht mehr jucken, für wieviel oder wiewenig Geld der Wein beim Aldi steht...

    Greetings \\//

    Marcus
     
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  8. pingo

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    Ich war gerade zwei Wochen lang im Frankenland am Main und kann Marcus nur zustimmen.

    Langfristig lohnt sich nur die Produktion von Qualität. Ich selber verstehe unter Qualität allerdings nicht nur die Punkte über unsere SCAE Bewertungen oder beim Wein den Parker, sondern nahezu gleichrangig soziale und ökologische Aspekte. Unter diesen Gesichtspunkten kaufe ich auch meinen Wein;-)
     
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  9. #29 Hafensänger, 06.10.2014
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    Am Ende wohl alles eine Frage der Glaubwürdigkeit und der Leichtgläubigkeit, oder des Wunsches etwas trotz angebrachter Zweifel glauben zu wollen.

    Für mich gibt es neben der Produktqualität (wie auch immer man die objektiv bestimmt) noch ein weiteres entscheidendes Kriterium: Die Leute hinter dem Produkt.
    Um mal bei Kaffee zu bleiben: Ich bin mir sicher, dass mir Bohnen von Röstern, die mir das Gefühl vermitteln, dass sie mit Leib und Seele bei der Produktion dabei sind, besser schmecken als solche von Rösten bei denen ich dieses Gefühl nicht habe. Objektiv ist das natürlich Blödsinn, und in einer Blindverkostung nicht nachzuweisen. Aber ich verkoste meinen täglichen Espresso auch nicht blind.

    In diesem Sinne kann ich den letzten beiden Posts (und den Verfassern) nur zustimmen, und freue mich heimlich ein wenig darüber, dass die industrielle Massenware bei Kaffee qualitativ so ist, dass sich engagierten Kleinröstern gute Chancen bieten.
     
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  10. #30 mo_redcode, 06.10.2014
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    Das
    Das Problem nur dabei, das Kaffee ein derart GEILES Produkt ist, dass es aufgrund seiner Aromenvielfalt den Produzenten viel verzeiht.
    Und wenn man dann noch mit Tricks gearbeitet wird, wird es für den Normalo noch schwieriger zu differenzieren. Naja in anderen Bereichen ist es ja viel schlimmer......so als kleiner Trost :rolleyes:

    Seh ich genauso. Das Paradoxe dabei ist ja, dass dann noch dabei oft die besten Produkte bei rauskommen. Demeter macht die beste Milch, der Hof um die Ecke das leckerste Gemüse,
    die Baumschule ein Eck weiter sorgt für gutes Obst.
    Man könnte ja die Diskussion ausweiten auf weitere Themen wie die Fleischproduktion (Antibiotikaeinsatz etc.),
    um den Rahmen nicht sprengen zu wollen, sage ich mal voller Optimismus, dass solange Menschen ein bischen Herz haben und Mitdenken (nicht nur in Richtung Gewinnmaximierung),
    wird sich das eine und andere noch weiter verbessern, auch Fair Trade.
     
  11. #31 Hafensänger, 06.10.2014
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    Sehe ich auch so, aber bist du dir sicher, dass das auch objektiv so ist? Oder spielt da der Effekt, den ich versucht habe zu beschreiben eine Rolle? ;)
     
  12. #32 mo_redcode, 06.10.2014
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    Teils teils, würde ich sagen.
    Um mal bei den Beispielen zu bleiben, früher war es mir ziemlich egal, woher etwas kommt und wie es hergestellt wurde.
    Ein Biosiegel oder andere Siegel sah ich rein als Marketingspielchen der Industrie an (hab leider zuviel BWL in meinem Leben gehabt ^^).
    Objektiv betrachtet sind mir jetzt gewisse Aspekte wichtig, subjektiv schmeckt es mir dadurch wahrscheinlich schon besser.
     
  13. #33 Bob de Cafea, 06.10.2014
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  14. #34 dharbott, 08.11.2014
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    Ich hatte dazu noch folgendes gefunden: http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-08/fairetrade-kaffee

    Zuerst bringt es den Bauern überhaupt nichts:

    Doch das System ist nach Einschätzung von Kritikern enorm ineffizient. Der US-Ökonom Wydick fand in einem Experiment heraus, dass der durchschnittliche US-Kaffeekonsument ganze 50 Cent mehr für eine Tasse Fairtrade-Kaffee ausgeben würde. “Doch selbst im best-case-scenario für Fairtrade, bei niedrigen Weltmarktpreisen, bekam der Kaffee-Bauer gerade einmal einen Drittel-Cent davon ab.”

    Und dann führt es auch noch zu schlechterer Qualität des Produkts:

    (…) bietet Fairtrade einen Anreiz, vor allem den schlechten Teil der Ernte ins System zu speisen. Denn Fairtrade nimmt in der Regel nicht alles ab – ein Teil wandert auf den freien Markt. Colleen Haight von der San Jose State University beschreibt das Problem an einem einfachen Beispiel: Ein Bauer hat zwei Säcke mit Bohnen, von denen Fairtrade nur einen abnimmt. Für Sack A (gute Qualität) bekommt er auf dem freien Markt 1,70 Dollar pro Pfund, für Sack B (schlechtere Qualität) nur 1,20 Dollar. Der Anreiz ist offensichtlich: Der gute Sack wird für 1,70 Dollar verkauft. Der schlechte geht zu Fairtrade, wo man 1,40 Dollar bekommt.

    Die einzigen, die von davon profitieren, sind die Anbieter der Zertifizierungssysteme und letztendlich der Handel, der mit dem Fairtrade-Argument einen überproportional hohen Mehrpreis verlangen kann. Analog zu den meisten Bio-Lebensmitteln in den Supermärkten. Die kosten normalerweise nur etwa einen Cent mehr als das normale Produkt, aber der Handel hat ein hervorragendes Instrument zur Preisdifferenzierung. Er kann dadurch das gleiche Lebensmittel zu zwei verschiedenen Preisen verkaufen, je nachdem ob der Käufer knausrig ist oder gerne etwas mehr für Nahrungsmittel springen lässt.
     
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  15. pingo

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    Moin Dirk,
    Dies trifft in der Praxis des klassischen Fairtrade meiner Erfahrung nach inzwischen häufig zu. Der gesamte Handel und aktuelle Marktpreise sind für die Produzenten viel tansparenter als vor 10 oder noch viel mehr als zu Zeiten der Festlegung der fairtrade-Kriterien (und Preise!!!) vor fast 30 Jahren. Wenn ein Produzent mehr Geld bekommt als von FLO Aufkäufer (und das ist bei entsprechender Qualität nun kontinuierlich seit vielen Jahren meist der Fall, wird er an diesen verkaufen.

    Wir analysieren für viele kleinere Fair-Trade basierte Importeure und -Initiativen bei uns die importierten Rohkaffees und können eine Stagnation bzw. Rückentwiclung der Qualität in den vergangenen Jahren bestätigen.

    Leider ist neben dem oben genannten Argument aber auch zu beobachten, dass es vielen kleinbäuerlichen Organisationen auch nicht gelingt durchgängig Qualiäten zu produzieren die mehr als den Fairtrade Mindestpreis auf dem freien Markt erzielen würden. Lernen mussten sie dies lange Zeit auch nicht, weil der Fairtrade Markt ja nicht auf Qualität schaute und der Preis auch nicht über Qualität differenziert wurde.

    Für die Produzentenorganisationen ist es allerdings doch sehr schön, minderwertige Kaffees (wie sie sich ja auch in zu 100 % in fast allen Markenkaffees im Einzelhandel befinden) immerhin für die 1,90 US$ / lib. (bei bio) zu verkaufen.

    Und diese Seite sollte nicht unbeachtet bleiben. Etliche der von uns besuchten Kooperativen machen das genau so: 2,85 bis 3,50 Dollar / lib. für Kaffee der an uns oder andere Kunden geht, den exportfähigen Rest zu FLO-Konditionen an Fairtrade-Händler. Hilft den Produzenten, weil sie auf dem freien Markt für diesen Rest in den vergangenen Jahren meist nur 1,30 bis 1,80 bekommen hätten.

    pingo
     
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  16. jutta

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    @ Dirk: Sicher ist es so, dass die Anreize von FairTrade nicht primär auf Qualität ausgerichtet sind und die Kooperative sich marktwirtschaftlich verhält. Diese Strategie hat mir bereits vor knapp 10 Jahren der Manager einer Koperative in Huila/Kolumbien erörtert.

    Die Rechnung, wie viel vom Mehrpreis wirklich beim Produzenten ankommt, halte ich für kritisch. Heute erleben wir eine Reaktivierung kleiner Röstereien, die sich in der Regel durch Qualität profilieren. Dort kostet das kg Kaffee dann aber häufig um 25 € im Vergleich zum Supermarktpreis von 12 €, etwa das Doppelte. Möglicherweise kauft der Kleinröster seinen Kaffee von einem Produzenten, der die Qualität seines Produktes kennt und deshalb seinen Rohkaffee in Deutschland für 7 €/kg absetzen kann. Wahrscheinlich wird der Supermarktkaffee einen Rohkaffeeanteil von 3 € haben. Das würde dann rechnerisch eine Preisdifferenz von ca. 5 € (incl. Einbrand) ergeben und nicht 13 €. Nun würde es wahrscheinlich kaum Kleinröster geben, jedenfalls nicht solche, die auf Qualität achten, wenn diese nur 17 € erzielen würden, da eine Reihe von Kosten sich deutlich vom Großröster unterscheidet und auch seine Produktivität nicht vergleichbar ist. Fazit bleibt aber, dass er seine Qualitätskaffees teurer einkauft und auf diese Weise der Pflanzer davon profitiert.

    Neben dem o.g. marktwirtschaftlichen Verhalten der Kooperativen kommt dort aber auch ein strukturelles Problem zum Tragen. Kaffeequalität ist von vielen Faktoren abhängig (Pflanzmaterial, Boden, Wetter, Pflege, Ernte und Behandlung nach der Ernte, um nur einige zu nennen). Diese Voraussetzungen sind auch in der Kooperative nicht homogen, was heißt die Fähigkeit Qualität zu produzieren, ist nicht gleichmäßig auf alle Mitglieder verteilt. Wie nun die Verkaufserlöse verteilen. Die Produzenten, die bessere Qualitäten herstellen, fordern einen "gerechten" Anteil an den Erlösen der Kooperativen. Bei unserer Reise durch Cauca haben wir erlebt, dass die Pflanzer ihren Kaffee gut eine Stunde zu einem anderen Aufkäufer bringen und nicht zu der Kooperative im Dorf, weil sie dort einen schlechteren Preis bekommen. Sicher keine wünschenswerte, aber marktwirtschaftlich verständliche Vorgehensweise.

    Die ganze Thematik ist nach meiner Einschätzung mehr als schwierig und in der Kaffeewelt nicht über einen Kamm zu scheren. Dazu gehört, dass die "Fertigungstiefe" in einzelnen Anbauländern recht unterschiedlich ist. In Ruanda und Burundi bringen die Kleinbauern ihre Kirschen zur Waschstation. Für sie endet die "Produktion" mit der Ernte. In Kolumbien wird der Kaffee auf der "Farm" gewaschen, auch wenn es sich nur um eine Anbaufläche von 2 ha handelt. In Guatemala stellten wir fest, dass die Farm, zwar die komplette Produktion realisiert, aber dennoch über einen Exporteur geht, der das Handling übernimmt. In Brasilien gibt es größere Produzenten, die den Kaffee auch exportieren, das heißt die ganze Kette. Entsprechend unterschiedlich sind natürlich die Erlöse, die der Pflanzer erzielt.

    Preisdifferenzierung durch Qualität ist sicher eine - und vielleicht die Beste - Möglichkeit, den Produzenten zu mehr Einkommen zu verhelfen. Leider haben nicht alle die Möglichkeit/Fähigkeit hohe Qualitäten zu produzieren. Deshalb ist es gut, dass es Kaffee im Supermarkt gibt. Letztlich wird die Entwicklung zum Wohlstand aber auch von der allgemeinen Entwicklung in den Ländern geprägt. Vor Jahren hat man mir in Indien erklärt, dass die Kinder der Farmarbeiter kaum mehr auf der Farm bleiben, sondern ein besseres Leben in der Stadt anstreben. In Kolumbien hat man auf meine Frage, was die Kinder der Pflanzer machen, nicht geantwortet, allerdings wurde die Feststellung getroffen, dass die Arbeitskräfte teurer, weil knapper werden. Das ist doch eigentlich eine positive Entwicklung. Wenn dann auch die Kinder der Pflanzer selbst lieber gut bezahlter Arbeit in der Stadt nachgehen, sollte eigentlich alles in Ordnung sein.

    Nur wer, bzw. wie wird dann unser Kaffee produziert. Riesige Plantagen mit Erntemaschinen, wie wir es schon aus Brasilien kennen, mit teilweise ordentlicher und guter Qualität.

    Mein Eindruck ist, dass wir einerseits dem "armen" Kaffeebauern zu mehr Wohlstand verhelfen wollen, andererseits das Bild der liebevoll durch die Hände des hart arbeitenden Pflanzers, gehegten Kaffeesträuchern bewahren wollen. Dieser Spagat wird schwierig.

    Gruß Karlheinz
     
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  17. #37 dharbott, 09.11.2014
    dharbott

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    Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen dem "armen" Kaffeebauern zu mehr Wohlstand verhelfen müssen, weil sonst nur noch der Maschinenkaffee überbleibt. Im Rahmen der aktuellen Probleme mit Blattrost muss gerade den kleinen Farmern ein Anreiz gegeben werden weiterhin auf Kaffee, und nicht auf Klatt oder Koka zu setzten.
     
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  18. #38 mo_redcode, 11.11.2014
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    Wie wird es eigentlich im Direct Trade gehandhabt, wenn man mit einem festen Produzenten befreundet ist, gute Preise zahlt und alles bisher toll war, aber dieser durch egal was eine schlechte Ernte hatte, schlechte Qualität liefert?
    Irgendwo ein grosses Risiko für den Einkäufer bei einem Naturprodukt und bei den Standards vor Ort, wo doch oft eher sagen ich mal vorsichtig, eher kurzfristig gedacht wird.
    Ich habe irgendwo mal gelesen/gesehen(Doku), dass gerade den Bauern enrom wichtig ist, dass Sie nicht auf ihren Säcken bleiben und sich verlässliche Partner hier wünschen, aber hier wird ja nach Qualität eingekauft und vberkauft, daher stelle ich mir das als ziemlichen Drahtseilakt vor.
     
  19. pingo

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    Ich kann nur für uns antworten. Direkter Handel ist meiner Meinung nach ein noch schlimmeres Etikett als bio oder fairtrade. Es kann von jedem genutzt werden und wird von niemandem kontrolliert. Ich kenne viele Fälle wo direct trade auf Kaffees draufsteht die der Röster direkt vom Großhandel bezieht. Dem Kunden hilft hier nur genaues Nachfragen und dem Röster empfehlen wir größtmögliche Transparenz. Also schreibe ich einfach wie wir es machen:
    - wir garantieren Mindestpreise für eine bestimmte Qualität. Das sind aktuell 2,85 Dollar / lib. FOB bis 3,20 Dollar lib / FOB je nach Ursprungsland. Der Kaffee soll dafür von uns und der Kooperative mit jeweils mindestens einer Score von 83,5 Punkten bewertet werden. Meist ist der Kaffee aber besser. Wenn er 85,5 übersteigt zahen wir Prämien wie für Microlots. Unter 83,5 Punkten (maßgeblich sind die Verschiffungsmuster) würden wir den Kaffee nicht selber kaufen. Wenn der angebotene Kaffee an dieser unteren Grenze liegt und wir uns eigentlich mehr erhofft hatten arbeiten wir die Probleme gemeinsam mit der Kooperative auf (geschehen z.B. bei der AACRI 2011-2012 in Ecuador durch starken Kaffeerost und entwickeln gemeinsame Projekte um aus dieser Situation zu lernen und den Kaffee langfristig zu verbessern. sieje zum Beispiel hier: http://www.quijote-kaffee.de/projekte/ecuador2012-2013/ ). Wir helfen unseren Partnern im Ursprung falls nötig auch bei der Vermittlung von Kaffees unter unserem Qualitätsniveau an seriöse Akteure des klassischen "fairen" Handels. Das klappte bisher gut.
    Wichtiger aber ist tatsächlich die Entwicklung von Strategien zur kontinuierlichen Erzeugung hoher Qualitäten, daher tauschen wir uns ernsthaft über die Kaffees aus und besuchen mindestens einmal pro Jahr alle unsere Partner (Äthiopien, Ecuador, Honduras, Guatemala, Sumatra, Indien) und schauen wo die jeweiligen Bedürfnisse zur Erreichung unserer jeweiligen Ziele liegen.

    Zum Risiko: klar ragen wir ein hohes Risiko! Ich empfinde es aber durchaus als korrekter wenn wir als verhältnismäßig reiche Akteure das Risiko zu größeren Teilen als bisher üblich mittragen und nicht jede Gefahr auf die Produzenten abwälzen.
    In meiner Praxis zeigte sich bisher aber in den vergangenen Jahren viel häufger ein quantitativer Ausfall als ein qualitativer Ausfall der ausgehandelten Mengen hochwertigen Kaffees. Dies trifft uns als Importeure dann recht hart, zumal wir ja mit mindestens 60 % schon zu Beginn der Ernte zinslos vorfinanzieren. Notfalls läuft der Kredit dann bis nächstes Jahr weiter....

    Für alle Kollegen die sich überlegen direkt zu importieren kann ich jedenfalls raten: lernt Eure Partner erstmal gut kennen und besucht Euch ein paar Mal möglichst gegenseitig. So kann dann eine Vertrauensbasis entstehen die vor Überraschungen schützt und die Risiken kalkulierbar macht.
     
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  20. #40 nielsen, 14.11.2014
    nielsen

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    Das gefällt mir wesentlich besser als die Strategien der klassischen "Fairtrade"-Akteure, die zum Einen immer mit so einer bemutternden Attitüde daherkommen und deren Bemühungen zum anderen vergebens sind.

    Wenn man einfach nur erhöhte Mindestpreise festsetzt ohne dafür eine definierte höhere Qualität zu erwarten, ist das nicht mehr als ein Almosen für diejenigen, die zufällig eine bestimmte Menge zu einem Preis über Marktniveau liefern dürfen.
     
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