Gaggiuino

Eigentlich wollte ich einen eigenen Thread starten, aber hier passt es jetzt gut.

Obwohl dieses Projekt schon einige Jahre läuft und auch immer mal wieder im Forum erwähnt wird, wunderte ich mich, warum dieser Mod noch keinen eigenen Thread hatte.

Einleitung:
Die Idee zu dem Mod hatte Zer-0-Bit.
Der Programmiercode sowie alle Anleitungen sind open Source und auf seinem Github Account veröffentlicht (GitHub - Zer0-bit/gaggiuino: A Gaggia Classic control project using microcontrollers.)

Ziel ist es, eine der beliebtesten Espressomaschinen, die Gaggia Classic, smart zu machen, indem man mit Hilfe eines Mikrocontrollers (Arduino Nano oder STM32) sowohl Temperatur, Druck als auch den Flow kontrolliert. Dies ermöglicht sowohl Brühprofile als auch Komfort-Features wie ein Entkalkungs- oder Reinigungsprogramm.
Alle Werte werden auf einem Touch Display grafisch dargestellt und können nach den Wünschen eingestellt werden..

Versionsgeschichte:
Zunächst wurde der Mod mit einem Arduino Nano, einem Dimmer zur Pumpensteuerung, einem Drucksensor und SSR sowie einem Pt100 Sensor für die Temperatursteuerung realisiert.

Hierbei muss man alle 14 Komponenten bestellen und selbst verlöten bzw. verbauen.

Dieses Baukastensystem wird daher auch Lego (Bitte keine Abmahnungen, es hat nichts mit Klemmbausteinen zu tun) genannt. Wichtig ist, dass man genau die Teile bestellt, die in der Bill of Materials aufgelistet sind. Standardmäßig ist bei Aliexpress nicht immer das benötigte Teil ausgewählt, selbst wenn man dem Link folgt. Hat man das falsche Teil bestellt, muss man wieder einige Wochen auf die Lieferung warten.

In der zweiten Evolutionsstufe wurde der Arduino Nano durch einen STM32 Controller ersetzt und um andere Komponenten ergänzt.
In dieser Ausbaustufe ist es möglich, Profile zu nutzen oder selbst zu erstellen.
Durch zwei Wägezellen (load cells) wird der Flow gemessen und durch den Pumpen Dimmer reguliert.

Die dritte und Stand heute aktuelle Version besteht aus einem fertig gelöteten PCB, auf dem alle Bauteile in kompakter Bauweise vorhanden sind.
Über zwei Anbieter und UK und den USA können fertige Kits bestellt werden. Die Kosten betragen £54.00 bzw. $48, hinzu kommen Kosten für den Versand, Zoll und weitere Komponenten wie Display, Druck- und Temperatursensor und Fittings.

In allen drei Versionen müssen sowohl die Elektrik als auch die Hydraulik der Maschine modifiziert werden.
Hierzu müssen diverse Crimpverbinder benutzt und neue Kabel gezogen werden.

Für den Nano Ausbau habe ich Bauteile im Wert von ca. 100€ (umgerechnet auf den Einzelpreis) inklusive Versandkosten bestellt. Da einige Bauteile sehr günstig sind, habe ich sie gleich doppelt bestellt. Da sowohl die Versandkosten als auch die Verzollung pro Bauteil gerechnet werden, war es wahrscheinlich in Summe etwas günstiger.

Das STM-Upgrade kostet etwa 20€ zusätzlich. Wenn man auf einige Nano spezifische Teile verzichtet und direkt den STM32 Ausbau durchführt, kann man ein paar Euro sparen.

Erfahrungsbericht:
Dies ist mein erstes Arduino Projekt und auch mein erstes größeres Lötprojekt. Ich habe mich eingelesen, einige Videos angeschaut und alle Bauteile der Bill of Materials (BOM) bestellt.

Zu diesem Zeitpunkt wurde der Nano Mod empfohlen, da man so leichter auf STM32 upgraden kann. Einige Komponenten der BOM waren jedoch schon für das Upgrade gedacht.

Da dieses Projekt sehr schnell evolviert, sind viele Informationen veraltet, auch Videos auf Youtube sind daher nicht auf dem neuesten Stand.

Es ist zwar sehr viel auf der Webseite (GAGGIUINO) dokumentiert, jedoch war mir teilweise nicht klar, um welchen Mod es gerade geht.
Hinzu kommt, dass der Mod sowohl für die alte Classic (9303) als auch für die neuere Classic Pro (9480) funktioniert.
Teilweise waren auf der Webseite auch noch ältere Bilder und Texte verfügbar, die Informationen enthielten, die nicht mehr aktuell waren.

Discord:
Ich habe einige Stunden im Discord Channel (Discord - A New Way to Chat with Friends & Communities) verbracht und viel gelesen.
Man kann davon ausgehen, dass jedes Problem bereits besprochen wurde und über die Suche zu finden ist.
Wenn man sein Problem gut beschreibt, wird einem auch schnell geholfen.

Anzumerken ist der Sarkasmus von Zer0-bit, den ich bisweilen ziemlich amüsant finde, auf einige vielleicht aber abschreckend wirken kann.
Zum Beispiel wird auf der Webseite ganz klar beschrieben, wie eine gute Lötverbindung auszusehen hat. User zeigen dann Fotos von schrecklichen Lötverbindungen und wundern sich warum Probleme auftreten.

Der Umbau:
Ich kenne mich mit der Classic sehr gut aus und habe schon sehr viele Maschinen repariert und sowohl einfache Auber PIDs als auch das MeCoffe PID verbaut.
Man sollte natürlich sicherstellen, dass die Maschine im unmodifizierten Zustand ordnungsgemäß funktioniert, kalkfrei und sauber ist.

Abschreckend war für mich das vermeintliche Kabelgewirr, das man auf den Schalplänen sehen kann. In der Realität sind die Kabel aber deutlich kürzer und alles ist aufgeräumter.

Man muss zwischen Leitungen unterscheiden, die nur zur Signalübertragung des Mikrocontrollers benötigt werden und 5V nutzen (LV, low voltage) und Leitungen, auf denen Netzspannung, also 230V anliegt (HV High Voltage).

Im Prinzip habe ich für den Umbau nur einen Schaltplan verwendet (https://user-images.githubuserconte...8957-88c93198-6d81-4081-8db6-552b6f6c5281.png).

Wichtig ist es, dem Plan nicht blind zu folgen, da viele der Nutzer aus den USA sind und die Maschine daher mit 120V arbeitet. Der Hauptunterschied ist die Verkabelung der Heizungen, diese sind bei 230V in Reihe, bei 120V jedoch parallel geschaltet.

Auf Leitungsfarben kann man sich aufgrund der verschiedenen Baujahre und Spannungen nicht verlassen. Im Zweifel muss man Leitungen verfolgen und mit einem Multimeter durchmessen. Auch Fotos von Usern sind mit Vorsicht zu genießen, da man nie weiß wie etwas verkabelt ist oder um welchen Mod es gerade geht.

Wenn man die Komponenten nacheinander verkabelt und den Leitungen folgt, ist es eigentlich selbsterklärend.

Um die Software auf den Nano und das Display zu spielen, müssen beide geflasht werden.
Beim Display hatte ich zunächst eine falsche Version genutzt, das Display hat dies aber sofort angezeigt. Mit der vermeintlich richtigen Version startete das Display, die Freude war groß. Im Testaufbau wunderte ich mich aber, dass keine Temperatur und kein Druck angezeigt wurden. Ich vermutete, dass der Nano nicht die richtige Software hatte und flashte ihn einige Male mit verschiedenen Versionen neu.

Nach etwas Frustration hatte ich das Display in Verdacht und flashte dieses mit einer anderen Version der Software.
Sofort wurde mir die Raumtemperatur angezeigt, success!

Die Verkabelung der restlichen Komponenten verlief problemlos.
Die Schlauchverbindung am Drucksensor war zunächst undicht, hier muss man auf einen geraden Schnitt achten.

Einige Kopfzerbrechen machten mir noch die HV Verbindungen am Schalter.
Im ersten Test stellte sich heraus, dass das Magnetventil keinen Strom bekommen hat, da ich eine Leitung übersehen habe, bzw davon ausging, dass diese stromführend ist.

Der Testaufbau funktioniert jetzt schon seit einigen Wochen problemlos.
Ich habe wunderbare Shots getrunken. Durch die Temperaturregelung ist die Dampfpower echt wunderbar.

Da die Bauteile nicht einfach offen in der Maschine herumliegen sollten, gibt es ein Gehäuse, welches mit einem 3D Drucker gedruckt werden kann.
Das Display wird in einem Gehäuse oben auf der Maschine platziert.
Da ich schon immer einen 3D Drucker haben wollte, hatte ich jetzt einen triftigen Grund, ihn zu kaufen (Beste Investition ever).
Wer keinen Drucker hat, kann die fertigen Drucke über einen Anbieter in den Niederlanden kaufen (Gaggiuino Parts by Espressio).

Mein nächster Schritt ist es, die Bauteile in den Gehäusen unterzubringen.
Ich plane das Upgrade zur STM32 Version durchzuführen, der Versand dauert in der Regel einige Wochen..
Ebenfalls möchte ich eine Silvia umbauen, einige User haben dies schon erfolgreich durchgeführt.

Jetzt habe ich einen Roman geschrieben

Eigentlich wollte ich euch nur das Projekt vorstellen und bin gespannt auf andere Erfahrungsberichte.

Falls jemand Probleme beim Einbau hat, kann man diese gerne versuchen, hier zu klären, die beste Quelle ist jedoch der Discord Channel.


Disclaimer:
Ich bin weder verwandt noch verschwägert mit Zer-0-Bit, noch habe ich finanzielle Vorteile durch das Projekt.
Zer-0-bit möchte auch gar keine Spenden.

Da das Projekt Open Source ist, gibt es jedoch Anbieter, die eigene PCBs entwickelt haben und diese verkaufen, falls damit Probleme auftreten, wird die Unterstützung im Discord Channel abgelehnt.
Derzeit kann man einen Hinweis dazu auf der Webseite lesen.

 

Ja, ich hab eine gebaut. Ist schon einiges an Bastelei, aber überschaubar wenn du etwas technisch und handwerklich begabt bist was deinem Post nach der Fall zu sein scheint. Ich würde auf jeden Fall mit der Classic Pro die in DE „New Classic“ heißt gehen denn darauf ist alles ausgelegt. Ich hab das Non-Evo Modell gekauft und den Rest der Teile via Ali Express wie angegeben.

 

Wenn du keinen Stress hast könntest du auch noch ein bisschen warten. Im Discord wurde auch angekündigt, dass Nextion auf jeden Fall End of Life ist und ein bisschen angeteasert, dass da vll noch was kommt. Ich könnte mir vorstellen, dass es demnächst noch mal eine ganz neue Version mit anderem Interface etc. gibt.

Aber andrerseits warten kann man immer. Das schöne ist, ja, dass man die Maschine nicht super stark modifiziert, das heißt wenn es mal eine Revision gibt, dann kann man die sicher auch relativ leicht einbauen.

Wenn ich du wäre würde ich auf jeden Fall ein PCB oder Kit nehmen, die es da mittlerweile gibt. Das komplette Kit gibt es soweit ich sehe hier (auch in der offiziellen Doku verlinkt): Gaggiuino V3 – Kit Set ( Gaggia Classic ) – Peak Coffee und das ist ingesamt günstiger als ich für die Einzelteile bei Ali bezahlt habe.

Außer du willst viel löten und noch mehr basteln. Ich habe leider bei meiner Maschine das Problem, dass die manchmal "Hänger" hat, die vermutlich durch schlechte Lötarbeit hervorgerufen werden, aber das ist für mich als Laien sehr schwer zu "debuggen", kann halt alles sein. Das Risiko minimierst du mit dem PCB.

 

> Dimmer zur Pumpensteuerung

Mich wundert, dass die Pumpe in allen Gagguino-Videos auf youtube trotz des Dimmers in der Bauteileliste wie eine Decent nagelt/hämmert, also offensichtlich durch Pausen und nicht durch Phasenanschnitt (Dimmer) geregelt wird. Dadurch flattert der Druck und die Maschine hört sich unangenehm an. Wie ist das zu erklären?

 

Ja, die Pumpe wird angetaktet.
Ich empfinde das Geräusch aber als angenehm, viel angenehmer als wenn sie dauerhaft läuft.
Derzeit habe ich nicht einmal den Deckel drauf, wobei es wahrscheinlich nicht viel ändern würde.
Ich hatte mir schon eine neue Pumpenhalterung ausgedacht, den Aufwand spare ich mir aber erst einmal

 

> empfinde das Geräusch aber als angenehm

Leiser wäre aber noch angenehmer... Die Alternative ist nicht dauerhaft laufen, sondern dauerhaft laufen mit Phasenanschnitt. Phasenschnitt reduziert den Hub und damit das Geräusch. In manchen Situationen wird die Pumpe damit so leise, dass man eher die Wassertropfen, als die Pumpe hört. Hier mangels Zeit ein altes Video zur Demonstration, Leerbezug mit Phasenanschnitt (Espressoflussrate). Leerbezüge sind normalerweise der lauteste Betriebsmodus einer Vibrationspumpe. Das Klimpern im Hintergrund ist ein Türvorhang im Wind.

 

Ich glaube das macht er für die Software Waage.
Bei den Pulsen kennt man die Fördermenge pro Puls, ich glaube die ist bei Phasenanschnitten relativ undefiniert und ändert sich auch mit dem Gegendruck.

 

> Bei den Pulsen kennt man die Fördermenge pro Puls, ich glaube die ist bei Phasenanschnitten relativ undefiniert

Stimmt. Wenn man Phasenanschnitt verwendet, kann man den Fluss - von Wasser durch die Pumpe - nicht mehr aus dem Druck ableiten, d.h. anhand der mehr oder weniger bekannten Pumpenkennlinie Fluss=f(Druck) schätzen. Es gibt dann keine (eine) Pumpenkennlinie mehr. Man müsste ein Flowmeter installieren. Aber wieso kaufen die Anwender dann Dimmer-Platinen?

 

Da bin ich überfragt, ich glaube die PCB Version kommt auch ohne aus...

Baubericht: Gaggiuino in Quick Mill Thermoblöcken

 

Also die Vorhersage scheint echt gut zu funktionieren, einzige Vorraussetzung ist, dass du das Limit während der PI triffst, also z.B. Druck nicht höher als 3 bar oder so. Wenn dann 3 Bar erreich sind weiß die Software, ab jetzt kommt was in die Tasse. Und dann fördert eine Pumpe tatsächlich sehr zuverlässig 0,Xml pro Hub.
Wir sprechen hier bei einer gut eingestellten Software von Abweichungen unter einem Gramm

 

Korrekt, ist aber auch kein riesen Aufriss.

 

Zu deinem Kaufvorhaben: Ich bin ein Quick Mill Fanboy, weil ich das Konzept einfach zeitgemäßer finde und eine Pavoni für die Nostalgie habe.

Nachteil bei mir ist, dass ich keine hohen Flussraten fahren kann, da der Block sonst zu kalt wird, das geht mit einem Boiler besser. Dafür kann ich nach 5min Kaffee machen wenn ichs wirklich drauf anlege und ein bisschen warmspüle und eventuelle kleine Schwankungen hinnehme. Nach 10 min ist alles stabil

 

ich hatte mal versuchsweise zwei Blöcke in Reihe geschaltet, damit kann man die Flussrate vermutlich locker verdoppeln und ist immer noch brutal stabil.
Frisst leider relativ viel Platz, aber vielleicht versuch ich das nochmal. Dann hat die Maschine aber auch nominal mal schlanke 3kW wenn man alles auf einmal einschaltet.
Aber mit meinem jetzigen Setup (Türmchen aus Kaffee und Dampfblock) schalte ich den Dampf einfach ein wenn ich den Kaffee starte. Dann ist der Dampfblock heiß wenn der Kaffee durch ist. Das Türmchen macht thermisch schon deultich mehr Sinn....