Quecksilber und Gift

Diskutiere Quecksilber und Gift im Restaurierungen und Raritäten Forum im Bereich Maschinen und Technik; Hier möchte ich mich einmal zum Thema Quecksilber-Schalter äussern. Quecksilber in den Druckschaltern alter Espressomaschienen ist uns Allen...

  1. #1 espressohans, 13.03.2020
    espressohans

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    Hier möchte ich mich einmal zum Thema Quecksilber-Schalter äussern.
    Quecksilber in den Druckschaltern alter Espressomaschienen ist uns Allen bekannt.
    Das Quecksilber extrem giftig ist ebenso.
    Als Chemie-Ingenieur weiss ich hier von was ich rede möchte aber gleichzeitig nicht dem Bild des weltweit bekannten "guten Deutschen" entsprechen dessen grösste Unart der erhobene, mahnende Zeigefinger ist!
    Nur soviel:
    - In professionel eingesetzten Maschinen verwende ich niemals Qucksilberschalter - Mechanische tuns genauso!
    - Desweiteren möchte ich nicht mit Microgram, ppm, und Grenzwerten auftrumpfen.
    -Ein Anliegen ist mir vielmehr Alle die einen Quecksilberschalter haben zu bitten eine "Saugspritze" (das kann eine normale grosse Spritze oder auch eine "Entlöt-Spritze" sein) sowie Zink-Staub oder Schwefel-Blüte bereit zu halten.
    Warum?:
    - Quecksilber ist so giftig dass es auch durch Quecksilber-Dämpfe zur Vergiftung kommen kann (meist chronisch).
    Tritt nun Quecksilber aus so verteilt sich dieses meist sofort in kleine und kleinste Tröpfchen.
    Die grösseren Tröpfchen lassen sich nun mit einer Spritze aufnehmen und in einem verschliessbaren Glas sammeln.
    Kleine, kleinste und Tröpfchen in Ritzen können aber so nicht erreicht werden.
    Und da kommt das Zink-Pulver oder die Schwefel-Blüte zum Einsatz:
    Bitte alle "Gefahrenstellen" grosszügig damit einstäuben - das Quecksilber verbindet sich mit dem Pulver und der "Dampfdruck" (d.h. die Gefahr durch den Qucksilberdampf) geht stark zurück!
    Klar auch dass das Pulver später als giftiger Sondermüll entsorgt werden sollte.
    Weitere Infos findet Ihr auch im Wiki.
     
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  2. cbr-ps

    cbr-ps Mitglied

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    Das ist alles auch den meisten Nicht-Chemikern bekannt und unstrittig. Quecksilber Schalter gibt es eh nur noch in historischen Maschinen, die in der Regel von kundigen Liebhabern gesammelt und gelegentlich auch mal betrieben werden. Sie spielen bei modernen Geräten keine Rolle, da ist Hg seit geraumer Zeit verboten.
    Solange die Schalter heil bleiben bei den alten Maschinen tritt nichts aus und es gibt kein Problem. Die mechanische Belastung im eingebauten Zustand ist marginal und daher geht das Bruchrisiko gegen Null. Was ist also das Problem welches Du hier thematisieren möchtest?
     
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  3. vectis

    vectis Mitglied

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    Es ist ja sicher ein gut gemeinter Rat und Hinweis, aber ich für meinen Teil denke, dass die meisten Mitmenschen momentan bzw. angesichts der aktuellen Situation mit anderen Gedanken beschäftigt sind.

    Und der Kreis der Besitzer von historischen Maschinen mit Quecksilberschaltern dürfte sich zum einen recht klein halten, zum anderen werden sich die jeweiligen Besitzer über die thematisierten Risiken durchaus im Klaren sein.

    Nichts für ungut, aber zur Zeit sind Virologen eindeutig die gefragteren Fachleute, weniger die Chemiker.
     
  4. #4 Sansibar99, 13.03.2020
    Sansibar99

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    Danka @espressohans für den Hinweis und die Details.
    Ich habe gesehen, dass du deine America auch mit Hg-Presso betreibst und empfinde das in keinster Weise als Belehrung oder Bevormundung.

    Und ich empfinde weiterhin, dass man im Augenblick das Weltgeschehen nicht in allen Bereichen auf eine Infektionskrankheit reduzieren sollte. Vielleicht verbringen ja gerade jetzt wieder mehr Foristen ihre Zeit in der Werkstatt, und dann kommt der Hinweis auf andere Gefahren nicht zur Unzeit.

    (die bisherigen Hinweise auf Hg-Toxizität und Schwefelblume waren meist in laufenden Threads "versteckt", jetzt haben sie ein Thema. Gut so!)
     
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  5. kafin

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    Vielen Dank. Dass Quecksilber und seine Dämpfe hochgiftig sind, war mir, wie wohl fast jedem, bekannt. Den Tipp mit dem Zink-Pulver oder der Schwefel-Blüte und wie das wirkt, hatte ich aber noch nicht gelesen.

    Mir ist bei der Demontage einer Maschine auch schon mal so ein Quecksilberröhrchen zerbrochen, zum Glück nicht in der Wohnung, sondern in der gut belüfteten Garage. Die vielen großen, kleinen und winzigen Kugeln einzufangen, war ein mühseliges Unterfangen. Immerhin handelte es sich um einen relativ glatten Fliesenboden und nicht um rauen Beton. Da konnte man die winzigen Kugeln so größeren zusammenschieben, die sich leichter aufnehmen und in ein Glas verfrachten ließen.
     
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  6. #6 Henning S., 13.03.2020
    Henning S.

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    Ich begebe mich hier auf etwas dünnes Eis, da dies, trotz vergleichbarer Ausbildung, wahrlich nicht mein Spezialgebiet ist. Aber die zitierten Quellen sind durchaus serios. Aus Erste Hilfe bei Chemikalienunfällen von Lutz Roth, Max Daunderer:
    ,Die früher empfohlenen Methoden, ausgelaufenes Quecksilber durch Aufstreuen von Schwefel, Zinkpulver oder Iodkohle zu binden sind nahezu wirkungslos."
    Die FU Berlin schreibt es noch etwas dastischer
    "Gott sei Dank ist die Ansicht, dass man auf verschüttetes Quecksilber schnell noch irgendetwas draufschmeißen müsste (Schwefelpulver, Zinkpulver, am übelsten ist Aktivkohle(!)), fast ausgerottet. Falls es doch noch eine Rest an Personen geben sollte, die Ihnen einen solchen kontraproduktiven Rat geben wollen, verweigern Sie diesen Personen bitte unbedingt die Gefolgschaft.";) Bei beiden Quellen werden konkrete Maßnahmen angegeben.
     
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  7. #7 carkoch, 14.03.2020
    Zuletzt bearbeitet: 14.03.2020
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    Die Gefährlichkeit bzw. toxizität von Quecksilber (Hg) als flüssiges, bei Raumtemperatur bereits verdampfendes Schwermetall, ist nicht zu unterschätzen, keine Frage. In den üblichen, komplett verschlossenen Glasampullen wie Thermometern oder Schaltern, ist es so abgeschlossen jedoch erst mal unbendenklich.

    Wenn so eine Quecksilber (Hg) Ampulle jedoch zerbricht, würde ich keine Experimente mehr in Sachen "binden" der vielen kleinen Perlen wagen. Dann bitte den Raum verschließen, die Feuerwehr rufen und auf einen Quecksilberunfall hinweisen.

    In meiner Jugend hab ich mal eine recht große Quecksilber Spindel im Jugendzimmer "kaputtgespielt" und das war nun wirklich kein kleines Haushalts-Fieberthermometer. Der Raum war schon voll mit den vielen kleinen toll glitzernden Perlen...

    Ich habe in der Chemie sicher mit Stoffen gearbeitet, die um ein xxx-faches letaler sind als profanes Quecksilber, aber es reichert sich als giftiges Schwermetall nun mal im Körper an und baut sich dann kaum mehr ab, das braucht man nicht wirklich.

    Dennoch würde ich mir jederzeit eine alte Maschine mit historischem - intaktem - Quecksilber-Schalter in die Wohnung stellen.

    Neben mir steht seit einigen Jahren eine 2-gruppige 1959er La San Marco Disco Volante mit originaler Asbest Kesselisolierung, aber ich kratze eben auch nicht dran...
     
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  8. #8 espressohans, 25.03.2020
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    Zuerst einmal möchte ich mich fürs Interesse und auch die teilweise kontroversen Kommentare bei Euch bedanken!
    Das Kaffee-Netz ist wirklich eine Bereicherung für jeden Kaffeemaschinen-Liebhaber!

    Und "Chapeau" SANSIBAR99: Du hast meine Artikel aufmerksam studiert und tatsächlich den Hg-Schalter an der AMERICA entdeckt! Um hier dem Vorwurf des Philisters zu entgehen: der Hg-Schalter wurde vor dem professionellen Einsatz durch einen Parker-Pressostat ersetzt (s. Bild anbei).

    Achtung: es sollte selbstverständlich sein dass ALLE Quecksilberreste als Gift- bzw. Sondermüll fachgerecht entsorgt werden müssen!

    Nochmals:
    Keine Panik bei ausgelaufenem Quecksilber! Der unmittelbare Umgang mit metallischem Quecksilber ist relativ ungefährlich.

    Mein Forenbeitrag solle nur auf die Gefahr durch nicht gefundenes/entferntes Quecksilber hinweisen: dieses kann auch in geringen Mengen langfristig zu einer chronischen Quecksilbervergiftung durch Einatmen der Quecksilberdämpfe führen, da Quecksilber - so unglaublich dies für Laien klingen mag - sich in der Raumluft ansammeln kann.

    Erste Maßnahme sollte daher die gute Durchlüftung des Raumes sein.


    Nachfolgend möchte ich nun:
    a) mein Vorgehen beschreiben, wie wir im Labor seit über 50Jahren bei Quecksilber-Bruch vorgehen.
    b) Die Unsicherheit bei der Reaktion von Quecksilber mit Schwefel kommentieren
    c) Weitere "Behandlungsmöglichkeiten" aufzeigen.

    a)
    Was ich immer parat habe: Spritze oder Spritzflasche, dicht schließende Glas- oder Kunststoffbehälter, Pinsel oder Schreibpapier, Schwefelblüte in technischer Qualität( die techn. Schwefelblüte ist der gereinigten oder gar pharmazeutischen Qualität vorzuziehen).

    Bei Bruch eines Quecksilber gefüllten Thermometers oder Schalters läuft das Quecksilber meist aus und bildet Tropfen.

    Sehr ungünstig ist dies auf rauen Oberflächen, Fliesenböden mit beschädigten Fugen oder gar Teppichböden - deshalb beim Umgang mit Quecksilber möglichst immer auf glatte nicht poröse Oberflächen achten.

    Bei Teppich bin ich mit meiner Erfahrung komplett am Ende - hier würde ich nach c) vorgehen und den Restteppich entsorgen.

    Die Quecksilbertropfen nehme ich entweder mit einer Spritze oder der Spritzflasche auf und gebe es in einen verschließbaren Behälter (Glas oder Kunststoff).
    Kleinere und kleinste Tropfen führe ich mit einem Blatt Papier (Schreibpapier oder Pappe) oder einem (Lackier-)Pinsel zu größeren Tropfen zusammen. Das Quecksilber bleibt nicht im Pinsel oder am Papier hängen, so dass beides später wieder weiterverwendet werden kann.

    Nachdem ich alle Tropfen aufgenommen habe streue ich die betroffene Fläche noch großzügig mit Schwefelblüte ein und lasse diese für mehrere Stunden einwirken. Danach fege* ich die Schwefelblüte ab und entsorge dies in einem separaten Behältnis zusammen mit den Resten des Glaskörpers (durch die Trennung von "reinem" Quecksilber und "kontaminiertem" Material ist die Entsorgung bei uns in F einfacher!).

    *Niemals verwende ich hierbei einen Staubsauger!

    B)
    Der Versuch mit Schwefelpulver auch grössere Tropfen Quecksilber aufzunehmen wird unter den gegebenen Umständen misslingen!
    Zwar ist die Reaktion von Quecksilber und Schwefel bei Raumtemperatur möglich, aber die dazu notwendige Durchmischung wird uns nicht gelingen, so dass sich der Schwefel lediglich als feine Schicht auf die Quecksilbertropfen legt und diese etwas "demobilisiert" (da haben alle vorher angegebenen Quellen recht und sind sich einig!).
    Wird dagegen die Durchmischung in technischen Mühlen vollzogen so reagiert Quecksilber mit Schwefel innerhalb von 5 - 120Minuten!
    Eine langsame Reaktion von feinst verteiltem Quecksilber oder von Quecksilberdämpfen mit Schwefel scheint jedoch möglich, so dass wir mit dem Aufbringen von Schwefelblüte keinen Fehler machen.

    C)
    Wer überzeugt ist dass Quecksilberschalter nicht kaputt gehen, sollte sich diese Überzeugung bewahren und den ganzen Beitrag vergessen (Fokushima ist ja auch nicht explodiert) - allen Anderen rate ich nochmals sich kurz mit diesem Thema zu beschäftigen!

    Bei Unsicherheit die Feuerwehr zu rufen und einen "Quecksilberunfall" zu melden ist sicherlich eine gute Möglichkeit (carkoch: Dir Danke für den Tipp!)

    Zum Schluss möchte ich noch auf eine etwas teure aber elegante "Dekontaminierung" hinweisen: die Reaktion von Quecksilber mit Silbernitrat:
    Hierfür gibt es Erste-Hilfe-Kits auf dem Markt die mit allen notwendigen Mitteln und einer ausführlichen Anleitung versehen sind ("Mercurisorb-Roth" ca. € 100,-).
    Bitte ggf. wirklich prophylaktisch das Erste-Hilfe-Kit kaufen und nicht selbst mit Silbernitrat experimentieren. Ist der Schaden erst angerichtet ist es meist zu spät zum Kauf!

    Gruss
    Hans
     

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