La Pavoni Professional antemillenio Reanimation

Ich hab gestern meinen Vermietern bei einer Wohnungsentrümpelung geholfen - vom Mieter fehlt seit Jahren jede Spur, der Anwalt das das Go für alle durchgeführten Aktionen gegeben. Ich betrete also die Küche (befand sich in relativ detoniertem Zustand) - und oben auf den Regalen stand sie - etwas eingestaubt und fettig, aber auf den ersten Blick in gutem Zustand. Der Kreuzschraube an der Bodengruppe und der kleinen Brühgruppe nach offensichtlich nicht mehr die Jüngste (will mir allerdings, ganz die Diva, ihr wahres Alter nicht verraten, auf dem Typenschild am Boden ist auf einem Streifen die Schrift abgeschliffen, und dieser kreuzt auf der vollen Fläche das Produktionsjahr), aber das macht ja nichts, für sowas wird man una divina. Daneben eine Isomac Macinino Professionale von 2006, sah ähnlich aus. Hab mich der verlassenen Dame und ihrer Tochter natürlich gleich angenommen, zumal meine Vermieter kein Interesse an ihr haben, außer evtl. als Dekostück - geht natürlich nicht, meine Divina hat noch viel vor. Ich mußte also noch nicht einmal finanzielle Überzeugungsarbeit leisten.
Zuhause angekommen, hab ich mir direkt einen Lappen geschnappt, die bella poliert, den Wassertank aufgeschraubt - und den Anblick mit Worten kommentiert, die hier absolut nicht zitierfähig sind. Dieser Riesen-Cornuto hat doch tatsächlich zwei Jahre lang einen guten halben Liter Wasser im Kessel stehen gelassen! Dat Wasser vun Kölle is jot - aber daß wir sogar einen Stadtteil namens Kalk haben, ist bei der Wasserhärte mit Sicherheit kein Zufall. Wasser ausgekippt, meinen Magen nochmal eindringlich daran erinnert, dass sein Inhalt kein Rückfahrticket hat (die Plörre hat gestunken, dass es nicht mehr feierlich war), nochmal reingeschaut und die erwartete Tropfsteinhöhle entdeckt. Jahrelang Miete prellen ist eine Sache, aber eine Lady behandelt man so nicht, unfassbar!
Auch der Rest bewegt sich nach der langen Ruhe noch recht schwerfällig, aber darauf kann ich Rücksicht nehmen. Essiglösung aufgesetzt und durchgejagt, sie übergibt sich in undefinierbaren Farben, dazu merke ich nichts von einer Kolbenfüllung. Hebe ich den Hebel, könnte ich so den ganzen Boiler durchjagen, würde ich den Hebel loslassen, würde er direkt nach unten knallen (wörtlich zu nehmen!).
Hier jetzt meine erste konkrete Frage: Ist das normal, oder sollte da irgendwo mal ein Ende sein?
Der Pressostat schaltet auch bei 2,5 bar faktischem Druck noch nicht ab (wie soll es anders sein, der Manometer geht 0,2 bar vor - ich hatte hier mal eine Anleitung gefunden, nur ist die bei allen mir einfallenden Synonymen in der SuFu noch nicht begegnet), da kann ich allerdings getrost von Kalk in und auf dem Druckrohr ausgehen.
Puly Caff-Lösung aufgesetzt und durchgejagt. Sie übergibt sich in einem Braun, das teilweise näher an Kaffee als an Wasser war. Pflege wurde also als nicht notwendig erachtet, was mich gedanklich dem Mietnomaden eine Werkzeugkiste über den Schädel ziehen ließ. Mir wurde also klar, dass la Divina schwer krank ist - Schwester, schärfen Sie das Skalpell, wir operieren! Der Doctor ist natürlich dabei, auch wenn ich bisher einen begeisternd einfachen Aufbau gesehen habe.
So, und jetzt sitz ich hier. Die Mühle ist vorläufig getunt, also stufenlos gemacht und der Minimalanschlag korrigiert. Noch liegt das Originalrad auf, für den Übergang wird das halt ganz einfach festgehalten, aber das Gewinde ist schon unterwegs.
Nun zu meiner Liebsten. Die Dampflanze ging noch problemlos runter, genauso wie der Manometer, wie erwartet, Kalk, Dreck und Schmier, wohin das Auge schaut - deshalb heißt das hier auch Reanimation und nicht Restaurierung. Der hintere der beiden Bolzen am Handhebel steckte schon fest, was allerdings mit einem Schraubendreher und drei gefühlvollen Hammerschlägen auch kein Problem war. Beim anschließenden Abschrauben der Brühgruppe hörte ich beim Herausziehen des Steigrohres auf einmal ein metallisches Klirren im Kessel - und mach mir selbstverständlich erstmal Riesensorgen. Ein Glück, dass sich der Übeltäter schnell entfernen ließ und auch die Sorge unbegründet war - es war nur ein Kalkstein, der zufällig genau die Form einer Kaffeebohne hat.
Als nächstes den Boden geöffnet, Divina umgedreht - und dem Sadisten gewünscht, ihn möge der Blitz beim Geschäfte machen treffen - alles vollkommen verrostet! Da muß wohl morgen die gute Drahtbürste ran, und dann wird von innen mit Rostschutzfarbe gestrichen, sieht keiner und versiegelt. Jetzt die Platte mit Heizspirale und Pressostat gelöst - auch hier war das Teil so festgekalkt, dass es nicht ohne Hammerschläge ging - und nun Zugang zu diesem Bild des Grauens - eine dicke, steinharte Kalkschicht auf ALLEM, was in der Maschine offiziell von Wasser gehört hat.
Weitere Fragen ergeben sich:
Was ist das für ein knopfzellenähnliches Ding, das an Netzschalter und Heizspirale hängt und in einer Vertiefung in der Mitte der Bodenplatte liegt? Und ist das in Ordnung, dass das Teil lose ist?
Und schließlich und endlich: Wie bekomme ich diese verdammte Brühgruppe auseinander? Die vom Doctor empfohlenen "leichten Hammerschläge" auf die leicht aufgeschraubte Mutter helfen nichts, auch dann nicht, wenn ich "leicht" sehr flexibel (dann aber mit dickem Handtuch auf der Mutter) definiere. WD40 bleibt erstmal noch im Schrank, damit will ich eigentlich auch nicht auf die BG losgehen. Das gleiche Problem habe ich auch mit dem Pressostaten und dem entsprechenden Steigrohr. Ich weiß auf jeden Fall jetzt schon, dass die Dichtungen alle neu müssen und ich den morgigen Tag mir putzen beschäftigt bin.
Ich hoffe, ich langweile Euch nicht mit der Geschichte und Ihr könnt habt Ideen, wie ich die genannten Teile auseinander bekomme, damit sie vernünftig gereinigt werden können (für die Rohre hab ich sogar Pfeifenputzer da).

Danke im Voraus und viele Grüße,
Heiko

 

AW: La Pavoni Professional antemillenio Reanimation

Hallo Fritzz,

Danke für den Tipp, hat bestens funktioniert. Das Problem waren offenbar weniger die Dichtungen als die immensen Kaffeerückstände, die in Kolben, Kopf und Sieb festsaßen.

Viele Grüße,
Heiko

 

AW: La Pavoni Professional antemillenio Reanimation

Nachdem jetzt (fast) alles zur Reinigung zerlegt ist (ich denke, den Kessel kann ich auch putzen, ohne ihn abzuschrauben, hab ich mal ein paar Bilder des Grauens gemacht:



auf den ersten Blick bis auf den obligatorischen Rost am Schraubloch noch soweit in Ordnung...



treibt einen der Blick auf die Unterseite Tränen in die Augen. Rechts unten übrigens das knopfzellenartige Bauteil, das ich nicht zuordnen kann.



Hier kommt noch Putzarbeit auf mich zu. Dazu wohl noch eine neue Heizflanschdichtung.



Soweit ist Divina mittlerweile zerlegt - sollte ich noch etwas abschrauben (evtl. Sichtrohr, das sich bei den ersten Füllungen zum Putzen dicht gezeigt hat)?



Der Kolben steht vor Altkaffee.



An den Rändern ist vielleicht noch der Kaffeebeton erkennbar, der das Duschsieb festgesetzt hat.



Auch hier reichlich Kalk, der Rest liegt um mich herum verteilt.



Auch hier gut versaut. Der Presso ist beim besten Willen nicht loszukriegen, weil sich weder am Heizflansch noch am Presso die Mutter noch drehen will - nur so, wie es jetzt ist, will ich nicht mit dem Pfeifenputzer durch das Druckrohr, sonst werde ich wohl den Presso mit Kalkfelsen steinigen (oder doch nicht?) Habt ihr da Ideen? Bin weiterhin für Hinweise, Vorschläge und Hilfe sehr empfänglich.

Viele Grüße,
Heiko

 

AW: La Pavoni Professional antemillenio Reanimation

Schon erledigt.

 

AW: La Pavoni Professional antemillenio Reanimation

Moin Fritzz,

danke für die Hinweise. Den Presso hab ich jetzt runter, und nach zig Pfeifenreinigern und meterweise verknicktem Blumendraht auch endlich das Druckrohr wieder frei. Auch der Rest nimmt so langsam wieder Gestalt bzw. weniger gesundheitsschädliche Farben an.
Und keine Sorge, die Gleichung "Elektrik + Wasser = kaputte Elektrik" hab ich schon früh gelernt. Leider waren durch den vorher schon existenten Wasserschaden auch die Kontakte korrodiert, nach der Bearbeitung mit Akopads blitzen die aber wieder einigermaßen. Fotos werden folgen, sobald ich fertig bin und die neuen Dichtungen aufgezogen habe - bis dahin ist es allerdings noch ein bisschen hin, vor allem, wenn ich mir den Fuß von unten ansehe:cry:.

Viele Grüße,
Heiko

 

AW: La Pavoni Professional antemillenio Reanimation

Hallo,

vielen Dank für die fachliche und moralische Unterstützung :grin:. Den Vorbesitzer würde ich auch am liebsten für eine Woche bei Wasser, Brot und Modern Talking-Dauerbeschallung in ein Loch ohne Fenster werfen. Mittlerweile blitzen die ersten Teile des Innenlebens wieder, also fängt das Ganze zumindest teilweise an, Form anzunehmen. Den Fuß möchte ich, wenn ich ihn retten kann, von unten mit Rostschutzfarbe streichen - ich befürchte selbst, dass der Rost wieder kommt, wenn ich das Blech ungeschützt lasse. Da allerdings auch zwischen Kesselflansch und Fuß wahrscheinlich auch Rost sitzt, werde ich dazu wohl oder übel den Kessel abschrauben müssen - allerdings hab ich keine konkrete Idee, wie ich das anstellen soll. Bei hochzpezialisiertem Werkzeug, wie es der Doc in seiner Beschreibung nutzt, bin ich nämlich raus. Habt ihr da Ideen?
Da die Heizung von unten mittlerweile auch wieder messingfarben statt grün-weiß gefleckt ist, hat Divina mir jetzt auch ihr Alter verraten: gebaut im Januar 1990, also gemäß Francesco Ceccarelli aus der hervorragenden Serie 1.2.
Gut, dann schrubb ich mal weiter.

Viele Grüße,
Heiko

 

AW: La Pavoni Professional antemillenio Reanimation

Moin,

vielen Dank, WD-40 hab ich da und gleich mal von oben und unten auf den Flansch gesprüht. Das soll jetzt erstmal über Nacht einwirken, morgen kommt ein dickes Heizungsrohr in den BG-Flansch (guter Tipp von lecosebelle, der Doc hält ja auch an der Stelle gegen), das Ganze wird am Rohr fixiert, dann versuch ich mal, ob der Ring sich dreht - der Kalk ist nämlich offenbar auch ins Gewinde gezogen. Mit Rostlöchern hatte ich bisher Glück, es gibt nur eins von der Dimension einer durchgestochenen Nadel in der Vertiefung für die Abtropfschale - nichts dramatisches also.
Monsieur, wenn ich mir Deine Dame ansehe, dann hatte ich doch noch richtiges Glück - welcher Wahnsinnige hat denn die Arme so zugerichtet? Höchste Anerkennung dafür, dass Du sie wieder so gut hinbekommen hast! Ist das eigentlich eine mit Manometer aufgerüstete Europiccola, oder hast Du an die Professional einen anderen Schalter montiert?

Viele Grüße,
Heiko

 

AW: La Pavoni Professional antemillenio Reanimation

Guten Abend,

am Kessel bin ich heute eher verzweifelt. Hab das Gewinde fast ertränkt in WD-40, sitzt trotzdem bombenfest und zerlegt mir die härtesten Holzklötze. Da werde ich wohl ohne Spezialwerkzeug doch nicht weiter kommen. Mein Vater (Vollbluthandwerker) hat das im Keller liegen, an den komme ich allerdings erst am Mittwoch ran. Bis dahin wird die Arbeit wohl oder übel liegen bleiben müssen. Naja, vielleicht hab ich bis dahin auch die Dichtungen vorliegen - Stangl24 bietet den ganzen Schwung für 35,90, wartet allerdings gerade auf Nachlieferung, und bei den 90 € vom Doc jault meine schmale Geldbörse.
Und Agonistes, ich kann Dir nur recht geben, Tidakas Pavoni Bianco ist wirklich schick!

Viele Grüße,
Heiko

 

AW: La Pavoni Professional antemillenio Reanimation

Hallo Nenni,

solche Mittel sind mir tatsächlich neu - da muss ich mich mal aufmachen und herausfinden, wo ich das in Köln herbekomme. Danke auf jeden Fall für den Tipp - wenn das funktioniert, hab ich wohl auch endlich ein Mittel für die Sattelstütze an meinem 1988er Rennrad (Stahlrahmen-Bianchi).

Viele Grüße,
Heiko